Im Revolutionsherbst 1989 nahm die Autorität der herrschenden SED rapide ab, was sich nach dem Mauerfall noch einmal beschleunigte. Im Dezember 1989 war es so weit, dass die SED nicht mehr in der Lage war zu regieren. Deshalb wurde der Runde Tisch eingerichtet, der die Regierung Modrow unterstützen und gleichzeitig die Weichen für eine Demokratisierung der DDR stellen sollte. Am Runden Tisch, der zum ersten Mal am 7. Dezember tagte, saßen zur Hälfte Vertreter der Alt- und der neu gegründeten Parteien. Niemand ahnte, dass unter den Vertretern der Neuparteien zahlreiche Inoffizielle Mitarbeiter der Staatssicherheit saßen, unter anderem Ibrahim Böhme (SPD) und Wolfgang Schnur (Demokratischer Aufbruch). Diesen IM ist es zu verdanken, dass es der SED und den Blockparteien gelang, die Neuparteien nach allen Regeln der Kunst über den Tisch zu ziehen. Vor allem sicherte es der SED das Überleben.
Als beim letzten Parteitag der SED im Dezember 1989 die Mehrzahl der Delegierten nach Berlin kam, um die Partei aufzulösen, schob der damalige Partei-und Staatschef Hans Modrow einen bis dahin fast unbekannten Rechtsanwalt nach vorn. Gregor Gysi gelang es, die Delegierten zu überzeugen, sich die Auflösung der Partei noch einmal zu überlegen, denn wenn sie das täten, wäre das Vermögen futsch, einschließlich aller Parteibetriebe und ihrer Mitarbeiter.
Gysi wurde zum neuen Parteivorsitzenden gewählt und bildete als eine seiner ersten Amtshandlungen eine Gruppe zur Rettung des Parteivermögens. Spätestens an diesem Punkt hätte die Enteignung der SED beschlossen werden müssen. Es gehört zu den folgenschwersten Versäumnissen der Friedlichen Revolutionäre, dies nicht getan zu haben. Als der gesamtdeutsche Bundestag in der Legislaturperiode 1994 -1998 geschätzten 24 Milliarden DM verschwundenem DDR-Vermögen hinterherrecherchierte, legten alle befragten SED-Genossen gleichlautende Erklärungen vor: sie verweigerten die Aussage, weil sie sich der Strafverfolgung aussetzen würden, wenn sie ihr Wissen preisgäben. Inzwischen ist die Verjährung eingetreten, aber es fehlt am politischen Willen, die Frage wieder auf die Tagesordnung zu setzen, obwohl die SED, nach viermaliger Umbenennung – SED-PDS, PDS, Linkspartei, Linke – wieder nach der Macht greift. Hat sie sich inzwischen zu einer demokratischen Partei gewandelt? Nicht wirklich. In ihrem Programm steht nach wie vor, sie strebe einen Systemwechsel an, was in einer Demokratie nur heißen kann, sie abschaffen zu wollen.
Dieses Ziel kann sie nicht aus eigener Kraft erreichen, sondern nur mit Hilfe anderer Parteien. Die SPD war sehr schnell bereit, schon 1994 in Sachsen-Anhalt, die SED-PDS am Katzentisch mitregieren zu lassen, indem die rot-grüne Regierung sich von der PDS tolerieren ließ. Am Ende der Legislaturperiode war das Land das Schlusslicht im Ranking aller Bundesländer. Geholfen hat das Negativbeispiel nicht. Heute ist die Linke sogar die Regierungspartei in Thüringen. Auch die rot-rot-grüne Koalition wurde bei der letzten Landtagswahl abgewählt, schaffte es mit Hilfe der CDU aber, wieder den Ministerpräsidenten zu stellen. Hat das dazu geführt, dass die SED-Linke demokratischer, weniger extremistisch wurde? Nein, eher ist das Gegenteil der Fall. Hat sich die Parteiführung anfangs noch von extremistischen Gruppierungen wie der Kommunistischen Plattform distanziert, hört man heute nichts mehr davon. Auch andere extremistische Gruppen werden nicht nur geduldet, sondern ihre Vertreter gezielt in hohe Posten lanciert.
Fortsetzung folgt nächsten Montag.