Im Gegensatz zum Verführten Denken in den Diktaturen funktioniert das heute ganz ohne äußeren Zwang. Vor allem bei den Jungen. Eine verhätschelte Wohlstands-Generation vermeidet die Kollisionen mit unangenehmen Ideen und scheint auch ihren Anspruch aufgegeben zu haben, überhaupt etwas zu lernen. Die politischen Repräsentanten dieser Generation vermuten Kobolde in Batterien, halten das Stromnetz für einen Speicher, kennen den Unterschied zwischen Brutto und Netto nicht und glauben, dass sie die Wirtschaft am Laufen halten, wenn sie mit ihren Diäten einkaufen gehen.
Die Political Correctness ist eine Staatsdoktrin
Die Political Correctness ist keine revolutionäre Bewegung, wie früher zum Beispiel bei den Jakobinern, sondern eine Staatsdoktrin. Politisch-Korrektes Denken ist Obrigkeitsdenken. Es tarnt sich allerdings mit einem Opfergestus. Stets ist der Politisch-Korrekte bereit, sich selber als Ober-Opfer auszurufen. So ist dann alles, was man für die Tugend tut, aus dem Geist der angeblichen Notwehr gespeist.
Damit wird inzwischen sogar gut Geld verdient. Aus dem Hundert-Millionen-Topf des Familienministeriums werden alle möglichen und unmöglichen Gruppen alimentiert. – Wer hypersensibilisiert ist, weiß, aus welchen Verfehlungen sich Kapital schlagen lässt. Sobald man einen neuen Missstand entdeckt hat, kann man einen Förderantrag stellen. Sexistisch ist, wer nachts an der Bar das Aussehen einer Journalistin lobt, und rassistisch, wer wissen will, wo jemand mit dunkler Hautfarbe denn herkommt.
Die Dynamik der Political Correctness bringt es mit sich, dass der Hunger nach Feinden die Nahrung der Tugendwächter ist. Sie brauchen ständig Nachschub an selber provozierten Angreifern, die mangels ständiger Verfügbarkeit auch mal erfunden werden müssen. Die Amadeu-Antonio-Stiftung, geleitet von der Stasiinformantin Annetta Kahane, fordert in einer Handreichung dazu auf, lieber ein Vergehen zu viel, als eins zu wenig zu melden.
Es gibt Auswege aus diesem Ideologischen Grabenkampf
Der von unseren Zwangsgebühren gemästete Komiker Jan Böhmermann ruft per twitter zum Sperren missliebiger Accounts auf. Inzwischen hat das Denunziantentum ein Ausmaß erreicht, das die Stasi in den Schatten stellt. In Zeiten von Corona gelangte es zu ungeahnter Blüte. Die Betreiberin eines kleinen Modegeschäfts verriet mir beim Kleiderkauf, dass sie schon drei Mal von Nachbarn angezeigt wurde, weil sie ihre Kundinnen maskenlos Kleider probieren ließ.
Die Situation ist zwar ernst, aber nicht hoffnungslos. Es gibt Auswege aus diesem ideologischen Grabenkampf. Die Werkzeuge müssen wir nicht neu erfinden, sie liegen bereit, wir müssen sie nur nutzen. Unsere schärfste Waffe ist das Grundgesetz. Wir müssen es nicht nur verteidigen, sondern seine Einhaltung immer wieder einfordern. Für wie gefährlich es angesehen wird, zeigt, dass es inzwischen polizeilich untersagt wird, allein mit einem Grundgesetz in der Hand auf einem öffentlichen Platz zu stehen. Man entfalte damit „Versammlungscharakter“. Öffentlich zum Mitnehmen ausgelegte Grundgesetze werden von der Polizei konfisziert. Also ist es eine gute Idee, immer ein Grundgesetz mit sich zu führen. Es gibt sie sogar als Miniaturbuch.
Demokratie ist immer nur so gut, wie die Demokraten, die bereit sind, sie zu verteidigen. Jeder hat eine Stimme, die er einsetzen kann. Demokratie stirbt, wenn sich niemand mehr für ihre Grundlagen einsetzt. Sie kann nur überleben, wenn es genügend Menschen gibt, die sie vor Aushöhlung schützen. Auch wenn hundert Personen der gleichen Meinung sind, ist es Aufgabe der Meinungsfreiheit, dem einzigen Abweichler Gehör und Schutz zu verschaffen. Meinungsfreiheit ist das Recht auf Gehör des Andersdenkenden, nicht das Privileg des Mächtigen. Die Mehrheit hat nicht immer recht. Das bewiesen Kopernikus und Galilei, die zu ihrer Zeit als Einzelne gegen den scheinbar übermächtigen Zeitgeist standen. Wir brauchen keine Mitläufer, sondern Bürger, die gelernt haben, selbst zu denken und zu entscheiden. Die Geschichte lehrt, dass David Goliath besiegt.
Fortsetzung übermorgen.