Der unwiderstehliche Reiz der Freiheit Folge 3

Wir müssen unsere emanzipatorischen Errungenschaften verteidigen

Im Grunde müssen wir das Einfache tun, was manchmal schwer zu machen ist. Wir müssen unsere emanzipatorischen Errungenschaften verteidigen. Wir müssen darauf bestehen, uns in unsere eigenen Angelegenheiten einzumischen. Es gibt nur einen öffentlichen Debattenraum, den dürfen wir nicht aufgeben. Die Standards der Debatte sind in Anlehnung an die Theorien John Stuart Mills und das Theorem des «Marktplatzes der Ideen» (Richter Oliver Wendell Holmes) in den Verfassungen der Länder der freien Welt verankert worden: Die freie Debatte über alle Themen dient der Wahrheitsordnung.

Freie Debatte meint den Prozess der Kollision unterschiedlichster Meinungen, gleichgültig ob diese als provokant, verletzend oder falsch empfunden werden. In der Debatte werden die Argumente gegeneinander abgewogen. Am Ende findet sich idealerweise, aber nicht zwingend, ein Kompromiss. Diesen Prozess der Erkenntnisgewinnung gibt es seit Aristoteles. Er ist maßgeblich vom Logos, also von Rationalität bestimmt.

Im politisch-korrekten Dogma verhält es sich umgekehrt: Hier steht die Wahrheit in Form der Doktrin bereits fest, weshalb Debatten unterbunden werden. Der Debattenraum wird im Namen dieser Ideologie immer weiter verengt. Ein Mittel dazu sind Einführung immer neuer Verbote, dieses oder jenes Wort nicht mehr zu benutzen, für nicht korrekt erklärte Begriffe zu vermeiden. Am Ende erscheint die Doktrin als einzig neuer zulässiger Meinungskorridor. Wir erleben hier einen Prozess, den schon Nietzsche in seiner «Genealogie der Moral» beschrieben hat.

Der politisch korrekte Moralist hat seine Vorurteile verinnerlicht

Er bezeichnete es als «creatio ex nihilo» der moralischen Begriffe. Der politisch-korrekte Moralist hat seine Vorurteile verinnerlicht. Ausgehend von diesen Vorurteilen wird diktiert, welches die „guten“ Kollektive (LGBT, Frauen, Black lives, marginalisierte Gruppen) und schlechte Kollektive (alte weiße Männer, Personen rechts von links) sind. Das entscheidet dann über Zulassung zur öffentlichen Debatte. Inzwischen wird aber immer häufiger gesagt, dass man mit Angehörigen der schlechten Kollektive gar nicht mehr reden soll. Abweichende Äußerungen werden mit der latenten Androhung von Shitstorms oder Karrierenachteilen sanktioniert. Das führt zu einer Narkotisierung des Debattenraums und einer Omertà der Intellektuellen.

Inzwischen werden die Grenzen so eng gezogen, dass es auch Mitglieder der guten Kollektive trifft.

Kürzlich hat es in Kanada eine marxistische Feministin erwischt.

An der Universität von Alberta wurde Kathleen Lowrey, Professorin für Anthropologie an der gesellschafts- wissenschaftlichen Fakultät aufgrund anonymer Beschwerden gefeuert.

Lowrey, eine bekennende Marxistin und radikale Feministin, hatte folgende „radikale und extremistische“ Ansichten geäußert: Frauen sind Frauen, Männer sind keine Frauen, denn sie haben keine Vagina und können nicht gebären. Als ihre Studenten das hörten, fühlten sie sich „unsicher“ und wagten es nicht mehr, Anthropologie als Hauptfach zu wählen.

Lowreys Verhängnis war, dass sie eine genderkritische Feministin ist. Sie glaubt nicht daran, dass Geschlechter nur Konstrukte seien. Was gestern noch common sense im Feminismus war, dass es Frauen gibt, die benachteiligt werden, gilt heute bei den „Progressiven“ als transphob und muss bestraft werden.

Damit sind die Politisch-Korrekten im geistigen Stalinismus angelangt. Unter Stalin wurde die Kommunistische Partei permanent von allen gesäubert, die es nicht schafften, sich der jeweiligen neuen Parteilinie, die manchmal der alten direkt widersprach, anzupassen. Diese geforderte Anpassung des Denkens an immer neue Dogmen hat der Literaturnobelpreisträger Czesław Miłosz als den Prozess des «Verführten Denkens“ bezeichnet. Inzwischen gibt es das verführte Denken auch in den westlichen Demokratien. Es nahm seinen Ausgang in den Universitäten, dem Ort des Geistes par excellence. Ähnlich hat auch die Idee des Kommunismus in intellektuellen Zirkeln an den Universitäten ihren Ausgangspunkt genommen.

Fortsetzung übermorgen.

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