Der Staat, das bin ich!

Foto: Friedel Kantaut

Eigentlich hatte er sich schon für den Knast entschieden, als ihm diese verschlafene Frau ihre Wohnungstür öffnete. Fliehen ist zu anstrengend und nur Zeitverschwendung. Zeit, die er nicht mehr hat. Der Anruf von Dusty bringt eine Welt zum implodieren. Sie heult…. „ das Lügen ist wirklich nicht mein Ding“, heult, „ich hab den Bullen alles erzählt. Es musste sein, Entschuldigung“… und dann heult sie weiter. Marlow bricht ab.

Höchstwahrscheinlich kann sie sich von der Belohnung endlich die neue Nase leisten, die sie schon immer haben wollte. Er wird ein paar Jahre absitzen müssen, wieder rauskommen und ihr die neue Nase zermatschen. Dann könnte sie für den Rest ihres Lebens eine Pappnase tragen. Jetzt wartet er, dass sie ihn abholen.

Vor ein paar Nächten hatten sie im Sunshine wieder ihre Getränke anschreiben lassen. Fach starrt in eine Bierpfütze, in der eine Kippe aufweicht. Plötzlich sieht er Marlow an und sagt: ich habe eine Idee. Köpenick, der Besitzer des Sunshine, findet die Idee auch gut.

Nachdem sie fünf Nächte gefeiert haben, klebt an jedem Laternenpfahl und Stromkasten im Kiez die Botschaft Wir lösen Probleme und darunter Fachs Telefonnummer. Es läuft gut. Sie bringen Spinnen, Kanarienvögel, und einen Dackel ihren Besitzern zurück, meistens lebend, sie vergrößern die Anzahl der Trauernden bei einer Beerdigung, sie besorgen Gratisschokoriegel und Plüschherzen, Mannschaftstrikots und längst vergriffene Eintrittskarten.

Marlow verbringt mehr als eine Stunde in einer lärmenden Blase aus Vier- bis Achtjährigen, um den einäugigen Teddy, das Merchandisingprodukt für einen Trickfilm, in den verschwitzten Händen zu halten. Der Teddy wird nie abgeholt. Fach hat acht Stunden Zeit, um eine Muffbutze in ein Loft zu verwandeln, weil sich die Eltern seines Auftraggebers überraschend angekündigt haben.

Am besten läuft ihre Clownsnummer für Gartenpartys. Immer wenn Fach seinen riesigen Plastikpimmel aufpumpt, ist die Stimmung auf dem Höhepunkt. Dann kommen fast gleichzeitig diese zwei Aufträge, die einen langen Urlaub bedeuten können.

Das hat nicht funktioniert. Marlow ist vor sich selbst ans Meer geflohen. Fach ist in einem Bildschirm verschollen. Irgendjemand zu Tode beschatten, ist keine nachweisbare Straftat. Jetzt denkt Marlow an Dustys Nase. Es klingelt, er öffnet und erinnert sich an Malerei des sechzehnten Jahrhunderts. Flankiert von zwei bulligen Uniformierten steht ein nur halb so großer Zivilist auf der Mittelachse des Bildes. Ihre dummen Gesichter sind perfekt schattiert und das tiefe Blau der Uniformen ist der optimale Hintergrund für die orangene Daunenjacke des Zivilbeamten.

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