Der Lektor

Ja, Bücher, subjektiv genommen,
sind nicht in jedem Fall willkommen.
Sie haben oft die Eigenschaft,
dass sich die ganze Leidenschaft,
die man für dies und das verwendet,
genervt sich jenem Buch zuwendet.

So ging’s Hans-Hugo, ohne Zweifel
der schärfste Lektor in der Eifel.
Kaum war des Autors Werk entblättert,
wird jede Hoffnung jäh zerschmettert.
Wie öde! schreit Hans-Hugo innen,
gerät allmählich ganz von Sinnen.

Und aus ist’s mit Nobelpreis-Träumen,
mit Urlaub unter Südsee-Bäumen,
vorbei der Glanz des schönen Scheins.
Kurz: Jede Form gewohnten Seins,
die sonst alltäglich war und wichtig,
wird literarisch null und nichtig.


Federzeichnung: Rolf Hannes

Noch will sein Kopf das Ganze schlichten.
Ob es gelingt? Oh nein, mitnichten.
Sieh an, wie alte Liebe rostet!
Es zählt jetzt nur, was Nerven kostet.
Und dann – mit Toben und Gesaus –
quillt die Lektoren-Wut heraus.

Hans-Hugo sucht voll Hass nach Waffen,
macht sich ganz regelrecht zum Affen,
zerbeißt zunächst das Telefon,
schreit danach ‘nen Schreckenston,
räumt – Schaum vorm Mund – den Schreibtisch leer.
Da geht sein Atem schon recht schwer.

Ein letzter Schlag, der Laptop bricht.
Hans-Hugo stirbt, der Autor nicht.
So nahm das Drama seinen Lauf
und hörte erst am Ende auf.
Denn Bücher, subjektiv genommen,
sind manchem gar nicht gut bekommen.

Dieser Beitrag wurde unter Allgemein abgelegt und mit , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert