Der Himmel über Friedrichshof 4. Folge

Wir bekommen die Speisekarte. Auf den ersten drei Seiten stehen 4- und 5-Gänge-Menüs zwischen 59 und 65 Euro. Die letzte Seite bietet 2 – 3 Vorspeisen, drei Suppen und fünf Fleischspeisen, die alle etwas exotisch klingen. Offensichtlich sollte man sich auskennen mit weißen Nierndln oder eine Fledermaus, nachdem ich davon ausgehe, dass hier im Burgenland nicht tatsächlich Fledermäuse auf dem Menüplan stehen. Ich fühle mich etwas fehl am Platz.

Ich frage, ob ich vom vegetarischen Menü auch eine einzelne Speise bestellen kann, was bejaht wird. Ich frage nach einer mir völlig unbekannten Speise in der Abfolge und erfahre, dass dies ein Getränk ist. Als ich weiterfrage, was von den angeführten Speisen warm ist, wird es komplizierter. Der gefüllte Spitzpaprika sei wohl doch warm, zumindest ein wenig, sie werde mal fragen, ist die Auskunft von der Kellnerin mit ungarischem Akzent. Sie kommt zurück, um zu bekräftigen, dass es eine Warmspeise ist. Meine Freundin bestellt eine Suppe. Ich den Spitzpaprika. Die Kellnerin entfernt sich mit einem überlauten Seufzer. Schon während des Wartens beschließen wir, danach abzureisen und woanders weiter zu speisen. Der dünne, spitze, rote Paprika wirkt auf dem normalgroßen Teller, der aus grauer dicker Keramik besteht, etwas verloren, und da der Teller nicht vorgewärmt war, hatte die Paprika auch wirklich keine Chance, sehr warm zu bleiben. Lauwarm ist die beste Beschreibung und die erste Auskunft der Kellnerin die wahre. Sowohl die Suppe meiner Freundin als auch mein Spitzpaprika, gefüllt mit Cous-cous auf Melanzanimus, schmecken ausgezeichnet. Allerdings verstehe ich danach den Wunsch nach einem 4-5-gängigen Menü. Die Einzelbestellung hatte offensichtlich keinen Einfluss auf die Größe der Portion. Auf den Preis, kam mir vor, aber doch.


Bild: Marianne Mairhofer

Die Frau, die später mit ihrem Mann an den Nebentisch kommt, merkt an, dass es ab morgen (also ab Montag), wohl wieder kleinere Speisen geben werde, so wie im letzten Jahr. Sie bestellt dann beim Kellner Nudeln mit Tomatensoße. Diese könnten länger dauern, merkt der Kellner an.

Ich brauche Kohlehydrate, ich muss ja noch durchhalten, sagt sie. Offenbar Seminargäste, die gerade Mittagspause haben.

Wir finden in der Speisekarte ein Infoblatt des Hotels über den Friedrichshof, wo wir erfahren, dass bereits 1890 Erzherzog Friedrich auf dem Areal einen Gutshof errichten ließ, worauf wohl der Name zurückführt. Und die spätere Kommune aus renovierten Gebäuden von damals und weiteren neuerbauten von 1972 – 1992 bestand. Und wir hier sitzen im Speisesaal in einem Teil des früheren Versorgungshauses.

Beim Verlassen des Grundstücks beschäftigt uns noch der Turm, der Teil des Versorgungshauses war und heute Teil des Hotels ist. Von dort hat man wohl einen guten Überblick über das gesamte Areal. Bei den späteren Recherchen erfahre ich im Internet, dass im Turm die Zimmer für die Obersten waren, also die Menschen, die Otto Mühl am nächsten standen, oder von ihm ausgewählt wurden.

Außerhalb des Areals befindet sich der Gästeparkplatz, danach und rundherum soweit das Auge reicht Ebene mit Feldern und eine ganze Menge an Windrädern. Die völlige Abgeschiedenheit ist ein nicht zu übersehendes Merkmal des Friedrichshofs.

Das Wissen, welches ich nicht abschütteln will und kann, bringt in das vermeintlich Paradiesische etwas Gruseliges und lässt mich so lange nicht los, bis ich das Areal verlasse. Und es wirkt weiter nach. Das Gefühl, dass sich seit Jahren eingestellt hat, immer wenn mich die Frage beschäftigte, ob ich ein Seminar am Friedrichshof besuchen möchte, ist nicht mehr nur etwas aus der Ferne Empfundenes, an dem ich schon zu zweifeln begonnen hatte. Jetzt habe ich für mich die absolute Bestätigung: es ist mir nicht möglich, dort ein Seminar frei zu genießen. Mein Wissen um die Geschichte und, nach meinen heutigen Recherchen, auch die Unklarheiten, die es offiziell immer noch gibt, sowohl zu dem, was dort genau passiert ist, aber auch zu den jetzigen Verwaltungsangelegenheiten, bewegen mich dazu, den Himmel lieber außerhalb der Friedrichshofmauern zu genießen.

Weitere Quellen:

http://www.friedrichshof.at/
http://sammlungfriedrichshof.at/ http://www.familierockt.com/ottomuhl/https://www.vice.com/de_at/article/zn8jjy/otto-muehl-kommune-friedrichshof-interview-hatschepsut
http://diepresse.com/home/leben/mensch/4635490/Claudia-Muehl_Wir-haben-die-staerksten-Tabus-verletzt

Ende

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