Denkfehler

Von Gastautor Ludwig Englmeier

Nun soll also im wesentlichen jeder, der sich fünf Jahre lang in Deutschland aufgehalten hat, die deutsche Staatsbürgerschaft bekommen können, ohne seine eigene aufgeben zu müssen. Kritiker, die wie die Union darin ein Verramschen der Staatsbürgerschaft sehen, werden bestenfalls als rückständig bezeichnet („Verständnis von 1913“), oder einfach schlicht als menschenfeindlich („Sie verramschen Menschen!“).

Dabei ist Kritik an der Doppelstaatsbürgerschaft durchaus angebracht, insbesondere am damit verbundenen doppelten Wahlrecht. Denn letztendlich haben Menschen, die die Geschicke in zwei, drei oder gar mehreren Ländern mitbestimmen können,  ein höheres demokratisches Gewicht. Die Ampel bringt es damit fertig, all die türkischstämmigen Deutschen, die Anfang der 2000er die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen und dafür ihre Türkische aufgegeben haben, schlechter zu stellen, als all diejenigen, die sich in Deutschland als Türken fühlen und die deutsche Staatsbürgerschaft erst dann angenommen haben, als sie ihre türkische nicht dafür hergeben mußten. Konkret davon betroffen sind viele Aleviten, Kurden und säkulare Attatürk-Türken, die als türkischstämmige Deutsche jetzt nur in Deutschland wählen können, während rechtsreligiöse und rechtsnationale Türken nun mit beiden Pässen in beiden Ländern wählen. Wobei die AKP-Anhänger in Deutschland oft genug rot-grün wählen, und zwar nicht, weil ihnen deren Wertevorstellungen besonders nah am Herzen lägen, sondern weil die beiden Parteien Transferleistungen erhöhen und durch positive Diskriminierung, z.B. über Migrantenquoten, den Einfluss der Zuwanderer in Deutschland konsequent ausbauen.

Begründet wird das doppelte Wahlrecht damit, man habe zum einen eine bessere Identifikation der Zuwanderer mit dem Land, in dem sie nun leben. Aber auf der anderen Seite will man besondere Rücksicht auf die „Wurzeln“ der Zuwanderer nehmen und ihnen deshalb nicht zumuten, die alte Staatsbürgerschaft abzugeben.

Das doppelte Wahlrecht auf nationaler Ebene ist einzigartig. Mein innerdeutscher Migrationshintergrund mit Wurzeln in Bayern, Baden-Würtemberg, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern ist kein Grund, mich bei mehreren Landtagswahlen wählen zu lassen. Bei Kommunalwahlen kann ich auch nicht dort wählen, wo ich im Laufe meines Lebens Wurzeln geschlagen habe – Regensburg, Heidelberg – ja nicht einmal in Bad Aibling, wo ich aufgewachsen bin und wo mein Vater noch lebt. Es wäre ja auch nicht richtig, wenn ich im Vergleich zu denen, die nur in einem Ort gelebt haben, besser gestellt wäre. Dafür haben wir im Grundgesetz einen zentralen Grundsatz – den Gleichheitsgrundsatz nämlich – der dagegensteht.

Fortsetzung folgt.

Dieser Beitrag wurde unter Allgemein abgelegt und mit , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert