Am 5. Juli 2016 schrieb ich diesen Text, den ich, nachdem ich gestern stundenlang das Geschehen im englischen Unterhaus verfolgt habe, nochmals hier veröffentliche:
Meistens wurschtelt sich die Europäische Union auf dem kleinsten Nenner durch das Dickicht der Politik, und nach den Einflüsterungen der 10 000 Lobbyisten ist das der Status Quo des Kapitalismus.
Nachdem nun die Hälfte der Briten die Schnauze voll hat von der Gängelei Brüssels und dem Gesäusele von Freiheit und Frieden für die Länder Europas, ergreift die brüsseler Bürokratie das große Zittern.
Wie sehen sie aus, die beiden Hälften in Großbritannien, die Hälfte, die sich für den Austritt, die andere, die für den Verbleib gestimmt hat? Ich habe mir 2 Gespräche angehört. Eins, geführt unter einigen Fischern in Cornwall. Ihre Meinung: Sie verarmen unter der behördlichen Gleichgültigkeit ihrer Regierung. Wie ich sie verstand, meinten sie weniger die behördliche Willkür Brüssels, als den Umstand, daß Brüssel sich nicht um ihre soziale Not kümmert oder sie zuläßt. Und wenn es so ist, brauchen sie dieses Brüssel nicht, diese herbeigewünschte und herbeigefaselte Europäische Union, die ewig das Lied der Freiheit singt, die nur die Freiheit des Kapitals meint. Vielmehr brauche Brüssel einen Tritt vors Schienbein, damit sich dort einiges verändert.
Holzschnitt von Isaac Robert Cruikshank, 1873: Die Esel im Parlament
(gleichen den heutigen auf den Regierungsbänken auffallend) © Britisches Museum
Und wie sah das andre Gespräch aus? Es war ein Interview mit einem Bänker aus der City of London. Einem dieser gegeelten Fatzken im Maßanzug, der täglich mit einer Meute seinesgleichen Milliarden um den Globus jagt, um aus Geld Geld zu hecken. Er sagte: Es wäre eine Katastrophe für die Wirtschaft Englands, würde die Wahl für den Brexit ausfallen. London könnte den ersten Rang unter den Finanzplätzen verlieren. Und als sein Gesprächspartner durchblicken ließ, Frankfurt könne dann möglicherweise die Rolle Londons übernehmen, sagte er unumwunden, dann müsse er wohl nach Frankfurt ziehen.
Was zeigen uns diese beiden Standpunkte? Sie zeigen eindeutig: Die kleinen Leute, die, die sich durchschlagen müssen mit kleinem Lohn und kleiner Rente, die zeigen Brüssel den blanken Arsch. Die anderen, die Profiteure beim Maggeln und Schachern, sie möchten den Brüsselern den Po schlecken.*
Auf beiden Seiten gibt’s eine Menge Wankelmütiger. Gehören sie zu denen, die sich fürs Bleiben hätten entscheiden sollen, obwohl sie für Nein stimmten, oder hätten sie fürs Aussteigen stimmen sollen, obwohl sie sich fürs Drinbleiben entschieden haben? Fragen sie sich. Das sind die Leutchen der Mittelschicht, die nicht recht wissen, wo sie am besten fahren. Sie hängen ihr Fähnchen am liebsten in den Wind, der ihnen die meisten Vorteile verspricht.
Nun, wie auch immer, wenn sich die Apparatschiks in Brüssel und sonstwo, etwa der Nobel-Mafioso Jean-Claude Juncker, oder der Süßholzraspler Martin Schulz, oder unsre Mutti Merkel sich nicht bald etwas einfallen lassen, wird es zuende gehn mit der bürokratisch unzulänglichen EU.
*Anders die Situation in Schottland. Die Schotten waren mehrheitlich für den Verbleib in der EU. Schon um den Engländern, die sie hassen, eins auszuwischen. Und was hört man aus Nordirland grummeln? Dort möchte die Elite, diejenigen, die fürchten, es könnten ihnen außerhalb der EU die Fälle davonschwimmen, sie möchten sich am liebsten mit Irland wiedervereinigen. Ohoh, Old Albion, es steht schlecht um deine Zukunft.