Corona Fortsetzung


Bild: Marianne Mairhofer

Da wo vor kurzem noch das Blaue vom Himmel gelogen wurde, weil die 100. Zahnpasta beworben wurde, die angeblich um soviel besser ist als die anderen 99, hängt jetzt ein Plakat, das uns sagt, was in der Coronakrise zu tun ist. Eventuell tatsächlich sinnvoller, trotzdem irritierend, weil es ja Werbeplakatwände sind. Wofür wird geworben?

Ein Punkt, der erwähnt wird, (nicht nur dort, wie wir wissen) – natürlich im Instagrammodus, weil das ja hipp ist, #vermeiden sie unnötige soziale Kontakte.

1. Ein dreijähriges weinendes Kind im Kindergarten wird nicht in den
Arm genommen zum Trösten.
2. Der Alltag einer 93jährigen Frau im Pflegeheim besteht seit drei
Wochen meist daraus, dass ihr 3x am Tag jemand Essen ins Zimmer
bringt
3. Einem schwer an Alzheimer erkranktem 60jährigen Mann wird ab und
zu das Telefon ans Ohr gehalten, damit seine Frau etwas zu ihm sagen     kann.

Ich berichte bewusst nur diese drei Beispiele, die mir im Laufe der Woche persönlich berichtet wurden. Ist das der ausreichende soziale Kontakt? Was sind unnötige soziale Kontakte? Was sind notwendige soziale Kontakte?

#vermeinden sie unnötige soziale Kontakte bedeutet nämlich in Wirklichkeit gar nichts. Soziale Kontakte sind vielfältig und für jede Altersgruppe und für jeden Menschen (in seiner Situation) unterschiedlich (lebens-)notwendig. Warum wird überhaupt von sozialer Distanz geredet? Geht es nicht eigentlich um körperliche Distanz? Also 1- 2 Meter Abstand (steht auch auf dem Plakat – natürlich mit #) Dort, wo dies nicht möglich ist, wie bei pflegenden Berufen, meiner Meinung nach gehören Kindergärten auch dazu, und die notwendigen Sicherheitsvorkehrungen, wie Hände waschen, Maske und Handschuhe.

Der berühmte Psychologe Harlow hat bereits in den 60iger Jahren des letzten Jahrhunderts gezeigt, wie wichtig Berührung für uns Menschen ist (er war durchwegs auch um umstritten, hat aber entscheidend zur Bindungstheorie beigetragen). Er zeigte, dass wir eher hungern, bevor wir auf kuscheligen Körperkontakt verzichten:

Also bauten er und seine Studenten nicht nur eine kuschelige Stoffmutter, sondern auch eine «Drahtmutter» mit einem zylindrischen Metallkörper aus Drähten und mit einem nicht weniger abstoßenden Gesicht. Bei einem ihrer frühen Experimente setzten sie Draht- und Stoffmutter nebeneinander in einen Käfig. Die Drahtmutter hielt eine volle Milchflasche, während die Stoffmutter sich nur weich anfühlte. Dann wurden Babyaffen in den Käfig gelassen und ihr Verhalten beobachtet. Die Ergebnisse straften die Vorstellung Lügen, die Mutter-Kind-Beziehung basiere bloß auf der Ernährung. Die Äffchen lebten förmlich auf der Stoffmutter. Manche weigerten sich sogar noch dann von ihr abzulassen, wenn sie hungrig waren. Andere hielten sich an ihr fest, während sie gleichzeitig versuchten, an der Milchflasche der Drahtmutter zu saugen. Hier geht es um Liebe, erklärte Harlow entschieden, und nicht um Konditionierung. Wir alle bedürften eines soliden affektiven Fundaments, um zu wachsen, und Berührung sei eine der Möglichkeiten, dieses Fundament zu errichten. (Aus: https://folio.nzz.ch/…/august/die-liebe-der-forscher-das-st…)

Wenn wir uns nicht bald auch über die notwendigen sozialen Interaktionen Gedanken machen und dies den Menschen erklären, wie es trotz notwendiger Sicherheitsvorkehrungen möglich ist, werden wir nicht nur in der unmittelbaren Zukunft die Konsequenzen davon tragen müssen. Mögliche Konsequenzen:

– Alte und kranke Menschen, die ihren Lebenswillen verlieren.

– Kinder, die stark verunsichert durchs weitere Leben gehen müssen, weil ihnen nicht ausreichend Trost und Halt gegeben wurde und die dann starke Verhaltensauffälligkeiten zeigen.

– Menschen, die starke Zwänge und Depressionen entwickeln. – usw.

Dieser Beitrag wurde unter Allgemein abgelegt und mit , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert