Chassidische Geschichte 12

Die Unterscheidung

Tuschefederzeichnung: Rolf Hannes

Der chassidische Mystiker erklärt: Wenn du als Nichtschwimmer in einen Fluß fällst, gibt dir ein des Schwimmens kundiger Rabbi vom Ufer aus gute Ratschläge. Er ist nicht mutig. Er hält sich am Ufer in Sicherheit. Er spricht wunderschön. Er kann dir alles übers Schwimmen sagen, aber er wird nicht hineinspringen, um dich zu retten. Er will sich nicht naß machen, er ist ein Lehrer, ein Rabbi.

Du kannst diese Art Lehrer auf der ganzen Welt antreffen. Sie sind soviel wert wie ihre wohltönenden Ratschläge, nichts. Ihre Ratschläge sind geborgt, angelesen. Sie haben sie aus Büchern geschöpft, nicht durch ihre Erfahrung bekommen. Es ist kein Kennen, es ist Wissen. Es ist nicht ihr Eignes, ihre Köpfe sind voll von Wissen, ihre Herzen aber zaghaft.

Der Zaddik ist von ganz anderm Schlag. Er weiß aus eigner Erfahrung. Sein Leben ist seine Weisheit. Er ist kein Lehrer und kein Handelsmann. Er lebt nicht aus Berechnung, sondern aus innerer Anteilnahme. Er lebt in seiner Selbst-Erinnerung.

Er weiß von den Dingen, die seiner Aufmerksamkeit bedürfen. Er schwafelt nicht über die Gefahren, die der Welt drohen. Er geht sie an. Er ist hellwach für die wirklichen Gefahren. Er ist hellwach in seiner Selbst-Erinnerung. Baalschem Tow* sagte: Auch wenn du schläfst, wenn dein Körper schläft, wird dein inneres Auge wachbleiben. Nur so kannst du beim Erwachen erinnern, was es zu tun gilt.


*Der Mystiker Baalschem Tow war der Begründer des Chassidismus (also: der jüdischen Mystik).

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