War der angebliche „Bürgerdialog“ des Kanzlers eine Mogelpackung? Peinliche Details entlarvt – Erinnerungen an die DDR werden wach.
Von Boris Reitschuster
Florian Post ist einer, der Klartext spricht. Was auch nach acht Jahren, die er für die SPD im Bundestag saß, zum Zerwürfnis mit seiner Partei führte. Im August 2022 trat er aus der SPD aus. Begründung: Sie sei „für Menschen mit gewöhnlichen Alltagssorgen“ nicht mehr wählbar (Details siehe hier). Ende 2022 trat er in die CSU ein.
Jetzt attackiert der Münchner seinen ehemaligen Genossen im Bundeskanzleramt . Auf Twitter teilt der Ex-Abgeordnete ein Video, das enthüllt, wie beim sogenannten „Bürgerdialog“ rote und grüne Parteimitglieder und Funktionäre unter dem Deckmantel, sie seien normale Bürger, Bundeskanzler Olaf Scholz befragten. Der Kommentar dazu vom Ex-Genossen Post: „Besser bekamen sie es in der #ddr auch nicht hin. So geht #bürgerdialog“.
Ansehen können Sie sich das beeindruckende Video hier.
Angebliche normale Bürger, die in dem 90-minütigen „Bürgerdialog“ in Bendorf am 1. Mai ihre Fragen stellten, sind unter anderem:
- Klaus Dietrich, SPD-Ortsvorsitzender Meisenheim
- Jutta Mannebach von den Grünen in Koblenz
- Paul Freyt, Beisitzer im Vorstand der Jusos Mayen-Koblenz, also der SPD-Nachwuchsorganisation
- Tino Dähler, Grünen-Kandidat für den Verbandsgemeinderat Maifeld
- Kim Theissen von den Grünen in Koblenz
Aufgedeckt hat das der rührige Blogger „Dr. David Lütke“.
Hier liegt also der Verdacht nahe, unter dem Vorwand eines „Bürgerdialogs“ findet eine Inszenierung statt. Auch bei Angela Merkel war auffällig, dass ihre Gesprächspartner bei sogenannten „Bürgerdialogen“ zu einem großen Teil so wirkten, als seien sie sorgfältig vorab ausgesucht worden. Insofern hat Post durchaus recht, wenn er sich an die DDR erinnert fühlt – so ein Scheindialog gehörte zu den Inszenierungen im Sozialismus. Die unter Angela Merkel in die Bundesrepublik überschwappten.
Laut dem öffentlich-rechtlichen Sender „Phoenix“, der solche Veranstaltungen gelegentlich überträgt, lief das Verfahren etwa beim vorherigen Bürgerdialog wie folgt ab: „90 Minuten lang stellt sich der Kanzler den Fragen der Bürgerinnen und Bürgern, die sich im Vorfeld für die Teilnahme bewerben mussten, die Plätze werden verlost.“ Diesmal hatten sich 500 Menschen bei der Rhein-Zeitung um einen der Plätze beworben.
Zum einen ist erstaunlich, ausgerechnet rote und grüne Parteimitglieder bzw. Funktionäre hatten gleich doppelt Glück – nicht nur beim Verlosen der Plätze, sondern auch, als es darum ging, wer das Wort erteilt bekommt.
Schwerer wiegt: Würde es um einen offenen Bürgerdialog gehen, müsste das Kanzleramt einfach die Bewerber vorab nach Parteimitgliedschaften und vor allem Funktionen in Parteien befragen – wenn schon ein Bewerbungsver-fahren stattfindet. Und wenn man nicht auf Funktionäre und Genossen verzichten will, müsste man gegebenenfalls zumindest einblenden, wer sie sind, damit die Zuschauer nicht in die Irre geführt werden.
Da ohnehin die Namen der Fragesteller eingeblendet werden, wäre dies organisatorisch kein Problem. Dass es nicht gemacht wird, zeigt, es handelt sich um eine Mogelpackung. Sogar um eine doppelte – an der das Kanzleramt und Scholz selbst ebenso beteiligt zu sein scheinen wie die Medien – in diesem Fall die Rhein-Zeitung, bei der man sich bewerben musste.