Bohumil Hrabal

Die schöne Poldi, so heißt eine der meisterlichen Erzählungen des Tchechen Bohumil Hrabal, meint nicht ein flottes Frauenzimmer, sondern eine Eisenhütte. Einen Ort also, wo die Arbeiter in unerträglicher Hitze, in Staub und Dreck hantieren. Und doch denkt nicht nur der Leser, auch die Arbeiter in dieser Geschichte denken unwillkürlich bei dem Wort SCHÖNE POLDI an eine schöne Frau. Über dem Fabriktor ist sie sogar im Profil in einem sternchenbesetzten Oval als Signet der Firma zu bestaunen.

Und eines Abends überreicht jemand meinem geliebten Hrabal im Goldenen Tiger in Prag einen Text von mir, worin ich ihn besinge. Warum ich darauf zu sprechen komme? Weil ich seit Tagen wieder Hrabals Geschichten lese, diese Geschichten, die mich so aus dem Häuschen bringen, ich muß schlucken und  die Tränen stehn mir in den Augen. Zu allem Glück kommt noch dies dazu: niemand in meinem Bekannten- und Freundeskreis kennt oder liest diesen göttlichen Hrabal. Seine Bücher sind rund um den Erdball verbreitet, aber hier in Freiburg besitze ich Hrabal ganz für mich allein. Kein literarisches Quartett oder Duo erwähnt ihn, noch nie ist mir eine Zeile über ihn in einerZeitung begegnet. Wenn ich Hrabal sage, wenn ich einem Bekannten oder Freund von ihm vorschwärme, dann sagen sie, wer ist das? Nie gehört.

Hrabal ist vor einigen Jahren gestorben, auch das machte keine Schlagzeilen. Für einen Säufer seines Formats wurde er ziemlich alt. Den Nobelpreis hat er nicht bekommen, wie so viele vor ihm, die ihn verdient hatten, das ist eine Schande für die ganze literarische Auslese, die das Sagen hat.

Wahrscheinlich hätte ihn nicht einmal die Nachricht vom Nobelpreis aus der Ruhe gebracht.

Doktor Hrabal, wissen Sie schon? Soeben kam die Nachricht durchs Radio. Sie haben den Nobelpreis für Literatur bekommen. Na und? Den waren sie mir schon vor 30 Jahren schuldig. Soll ich dankbar sein für diese Schlamperei? Statt dessen schaute er mit einem Zwinkern die hübsche Bedienung an und sagte: Schöne Poldi, bringen sie mir noch ein Bier.

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