Angst als Herrschaftsinstrument der Politik

Angst ist eines der stärksten menschlichen Gefühle. Alle kennen sie. Menschen haben unnötige Ängste, oder sie haben keine Angst, obwohl sie Angst haben sollten. Manche Ängste werden von Gesellschaft und Politik erzeugt, so die Angst vor der friedlich genutzten Atomenergie, die ein Produkt jahrzehntelanger Antiatom-Propaganda ist. Den vorläufigen Höhepunkt dieser Angst ist der Blitzausstieg aus der Atomenergie von Kanzlerin Merkel, wenige Monate nachdem ihre Regierung eine Verlängerung der Laufzeiten für die AKWs beschlossen hat. Anlass war ein Jahrtausend-Tsunami in Japan, der auch ein an der Küste stehendes Atomkraftwerk beschädigt hat. Innerhalb weniger Stunden nach Eintreffen der Nachricht sprach der damalige Umweltminister Norbert Röttgen bereits von Kernschmelze und setzte damit eine Dynamik in Gang, die nicht mehr aufzuhalten war. Auch nicht durch die Tatsache, dass die angeblichen 20 000 Atom-Opfer in Wirklichkeit vom Tsunami getötet wurden und es keinen direkten Toten im AKW gab. Bis heute starb nur ein Mensch an den möglichen Folgen der Atom-Havarie. Auch dass es in Deutschland keine Tsunamis geben kann, spielte keine Rolle mehr, nachdem die Angst vor der atomaren Katastrophe das gesellschaftliche Klima beherrschte. Bei der Landtagswahl in BaWü, dem bisherigen Stammland der CDU, gewannen die Grünen und sind auch bei den folgenden beiden Wahlen unschlagbar gewesen.

Keine Angst dagegen hat die Gesellschaft vor den Folgen von ständigen Stromabschaltungen oder flächendeckenden Blackouts, die bei fortschreitender „Energiewende“ mit jedem Tag wahrscheinlicher werden. Durch den massenhaft installierten Wind- und Solarstrom ist das Stromnetz starken Schwankungen ausgesetzt. Die Grundlast, das heißt, die sichere Stromversorgung, die für ein Hochindustrieland wie Deutschland unverzichtbar ist, kann nur noch mühsam aufrechterhalten werden. Fällt Ökostrom in Massen an, muss er immer häufiger teuer in die Netze anderer Länder abgeleitet, herrscht Flaute, muss Strom teuer von diesen Ländern eingekauft werden. Das hat uns die höchsten Strompreise Europas beschert. Es fehlt jetzt bereits die Kapazität von zehn Atomkraftwerken für eine sichere Stromversorgung und die politisch gewollte Elektromobilität steht erst am Beginn. Eigentlich sollten schon 2020 1 Million Elektroautos in Deutschland fahren. Zum Glück für die Versorgungssicherheit sind es erst wenige zehntausend. Das Verzicht auf Atom und Kohle und Elektromobilität nicht zusammengehen, kann jeder heute schon wissen, aber das Menetekel wird übersehen.

Durch Angst ausgelöste flächendeckende Panik kann das Schicksal von ganzen Gruppen oder Gesellschaften bestimmen, die fehlende notwendige Angst, das übersehende Warnsignal, aber ebenso.

Das war in der Geschichte schon immer so. Die Angst vor den wenigen hundert Spaniern zu Pferd lähmte den mächtigen Montezuma und sein über hunderttausend Krieger zählendes Herr so sehr, es unterwarf sich und sein Reich dem Untergang preisgab. Die fehlende Angst der Trojaner vor dem von den Griechen zurückgelassenen Pferd hatte den Untergang Trojas zur Folge. Zuvor waren die Warnungen von Laokoon und Kassandra überhört worden.

Nach diesem kurzen Exkurs komme ich zum heutigen politischen Umgang mit der Angst. Welche Verbindungen gibt es zwischen der Angst auf der einen und Recht und Politik auf der anderen Seite?

Dazu zwei Thesen von Cass Sundstein, der sich in seinem Buch „Gesetze der Angst“ mit dem Thema befasst hat.

  1. Gut funktionierende Regierungen streben danach, deliberative Regierungen zu sein. Sie halten regelmäßige Wahlen ab, legen in der Öffentlichkeit Rechenschaft ab und verpflichten ihre Amtsträger dem Volkswohl zu dienen. Wenn sich die Öffentlichkeit vor trivialen Risiken fürchtet, wird eine deliberative Regierung versuchen, mit Aufklärung diese Ängste zu zerstreuen. Sie wird Schutzmechanismen vor Paniken installieren. Dieselben Schutzmechanismen werden aktiviert, wenn die Öffentlichkeit trotz ernstzunehmender Risiken keine Angst hat. Eine deliberartive Demokratie wird in solchen Fällen handeln, ob die Öffentlichkeit das fordert, oder nicht. Am Ende setzen sich in einer reflektierenden Bürgerschaft Werte durch, nicht falsche Tatsachenurteile.
  2. Gut funktionierende Demokratien versuchen soziale Konflikte durch Einigung zu lösen, die nicht auf der Ebene von Theorien über das Richtige und Gute angesiedelt sind, sondern auf der niedrigeren Ebene von Praktiken und Prinzipien, auf die sich unterschiedliche Menschen einigen können, die in heterogenen Gesellschaften in den ganz großen Fragen wie die Existenz Gottes, des Wesens von Freiheit und Gleichheit, über die Wichtigkeit von Nützlichkeit und Effizienz oder über die Bedeutung von Fairness uneins sind. Gut funktionierende Gesellschaften ermöglichen es ihren Bürgern, sich zu einigen, wenn es notwendig ist, und sie entbinden ihre Bürger von der Pflicht, sich zu einigen, wenn es unmöglich ist.

Fortsetzung folgt morgen.

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