Sie steht an der Ampel und die Ampel auf rot, und wir bremsen ab vor ihr. Sie ist groß gewachsen und schlank und wirkt, als hätte sie keine Lust zu betteln. Wirkt so unüberzeugt, trotzig. Schwarzes glattes Haar. Sanftes Gesicht im Vorbeifahren, das bei Kopfschütteln hinter Glas sofort die Erwartung zurücknimmt. Ein Verlöschen, Augenniederschlagen. Woher ihre Eleganz kommt?
Wochen später, unter der schmalen Jacke wächst etwas. Und sie steht Tag für Tag da und atmet Dreck ein.
Sie sitzt zwischen zwei parkenden Autos, eine Wasserflasche im Schoß, das Gesicht verschwitzt. Es ist heiß. Erstmals reden wir. Radebrechen. Sie kommt aus Mazedonien. Es soll ein Mädchen werden. Alles ist schwer.
Zeichnung: Rolf Hannes
Am nächsten Tag ist sie mit anderen Frauen zusammen, sagt nichts, hütet sich, Argwohn liegt in der Luft.
Immer dieses Gefühl, dass sie nicht wirklich bettelt. Zu schade dafür ist. Woandershin gehört. Was weiß ich von ihr ? Was rede ich mir über sie zurecht ? Was löst meine Großzügigkeit aus? Wieso gebe ich jeden Tag mehr, denke an Strampelhöschen und Kuscheltiere?
Im August kommt das Kind, sie weiß noch nicht, wo sie sein wird. Nicht daheim. Madrid, Barcelona, Paris.
Im September steht sie erneut an der Kreuzung, ohne Bauch, Tag für Tag halbtags, teilt sich die Strecke mit einem Einbeinigen, jeder auf einer Seite.