Foto: Derek Shapton 2017
Am 10. Juli wurde Alice Munro 85. Nachdem es niemand mehr für möglich gehalten hätte, bekam sie 2013 den Literaturnobelpreis.
Erstmals ging der Preis nach Kanada, erstmals an eine Frau, deren literarischer Ruhm auf Kurzgeschichten fußte. Nur auf Kurzgeschichten, betone ich. Schon vor Jahren hab ich mich in der futura99 als ihr begeisterter Leser bekannt. Allerdings argwöhnte ich damals, sie bekomme nie den Literaturnobelpreis, weil sie keine Romane schreibe. Ich weiß wie abgeneigt die Leser sind, wenn ein Buch nur Geschichten, Kurzgeschichten enthält. Den meisten Lesern geht es ja nicht um Literatur, um geschliffene Sprache, es geht ihnen um Schmonzetten, wie die von Donna Leon.
In einer deutschen Bestsellerliste ist Alice Munro nie aufgetaucht. Aber sie hatte über ein halbes Jahrhundert lang einen auserwählten Kreis von Lesern und Fürsprechern und maßgeblichen Kollegen und Kolleginnen, zumal in der angelsächsischen Welt, die ihr den Nobelpreis wünschten.
Mit der Literatur ist es wie mit der Musik, schrieb ich damals. Da gilt und galt oftmals nur jemand, wenn er als Opernkomponist Furore machte. Dicke Wälzer sind die Opern in der Literatur. Obwohl man mit Musik wenig am Hut hat, kann man fleißiger Operngänger sein. Ein Kritiker sagte einmal: Opernabonnements sind der Hintergrund für teure Kleider, teuren Schmuck und blasse Gedanken, ein Auftrieb für viel Trara. Einiges ist uns über die Jahrhunderte erhalten geblieben.
Damit sage ich nichts gegen einige großartige Opern, etwa die von Mozart, Monteverdi, Händel. Damit sage ich nichts gegen umfangreiche Romane, etwa die von Lawrence Sterne oder Tolstoi. Damit sage ich auch nichts gegen Wohlhabende, die sich wirklich mit Kunst um der Kunst willen beschäftigen. Damit sage ich etwas gegen die Kommerzialisierung im Kunstbetrieb, die der Schmockerei huldigt. Um auf Alice Munro zurückzukommen: sie ist der Triumph gegen die Schmockerei.