Joseph Conrad

Joseph Conrad

Hatte mir 6 Bücher von Joseph Conrad vorgenommen. Bei dreien kam ich über die ersten Seiten nicht hinaus, da hab ich sie zugeklappt. Drei hab ich gelesen, wenn auch mit Mühe: Jugend, Freya von den sieben Inseln und Die Schattenlinie.

Das Generalthema Conrads ist die Hohe See.

Mit zunehmendem Lesen nahm mein Interesse ab, muß ich gestehn. Es ist alles so überedelt. Nicht die Handelnden, darunter gibt es Schufte und Bösewichter, es ist vielmehr Conrads Stil, der alles so veredelt, ein wenig wie in Aufsätzen von Jünglingen eines Elite-Gymnasiums.

Manchmal kommt er kaum vom Fleck, so geschwätzig muß er jede Kleinigkeit beschreiben, mit gesucht edlen Vergleichen und Adjektiven. Manchmal scheint er sich dessen bewußt und überdrüssig geworden zu sein, dann bricht er ab und macht einen kühnen Schnitt. Vielleicht hat er ja in dieser Erkenntnis ganze Passagen weggestrichen vor dem Druck. Oder waren es seine Lektoren? Niemand ahnt, wieviel Literatur im Verborgenen von guten Verlagslektoren stammt. Einer, der Einblick hatte, behauptete, die Hälfte alles Geschriebenen. Den Verlagen ist das verständlicherweise peinlich, und sie hüten ihre Geheimnisse.

Zurück zu Conrad. Leider wurde nicht genug gestrichen. Leider, zu oft schien ihm der Text so schön, so edel formuliert, er konnte sich nicht davon trennen, es ist mehr als edel, es ist Kitsch. Es kann nie etwas nur glühen, es muß zugleich glimmen und zwar düster. Es gibt keine Einsamkeit, wenn sie nicht mindestens tief ist. Nichts ist so präzise, daß er nicht noch eins draufsetzen könnte: »In diesem Augenblick, oder vielleicht einen Augenblick später, merkte ich, daß Ransome in der Kajüte stand«.

Ist es Genauigkeit der Beobachtung, die Conrad anstrebt? Mag sein. Herauskommt aber Zwanghaftigkeit. Ich werde den Verdacht nicht los, dieser Conrad hat sich zeitlebens nichts durchgehen lassen. Seine Bücher sind Tugendbolzereien, mag es noch so düster, finster, teuflisch, schurkisch zugehn. Angestrengt und humorlos. Ein Hamsun ist er nicht, weißgott, eher ein Karl May.

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An meine Schutzmaske


Zeichnung: Marlies Blauth

An meine  Schutzmaske
habe ich mich gewöhnt:
ihr weiches Vlies verhüllt
meine Stimme und meinen Blick,
weiß laufe ich durch die
Straßen der Stadt,
leicht und libellenhaft
längst geheilt –
doch: eine schüttere Frucht
bin ich, eine Herbstfrau
in schmiegsamer Schale.
Einmal verlor ich sie
auf dem Platz vor dem Dom –
Raubvögel wollten mir
aus den Augen Antworten picken.
Taschendiebe zerrten an
meinem Lächeln
und meine Tränen
wussten nicht, wohin.

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Ein seltsamer Mord

Eine ältere Dame, die mit der äußeren Welt abgeschlossen hatte, sich in ihrem behaglichen, großzügigen Haus wohlfühlte und sich auf ihrem weitläufigen Grundstück, das man fast einen Park hätte nennen können, hinreichend Bewegung verschaffen konnte, verspürte keine Lust mehr, ihre kleine Welt zu verlassen. Zumal das Einkaufen für den täglichen Bedarf war ihr mehr und mehr unangenehm, ja verhaßt geworden. Aller dieser ewig gleichen Rituale des Begrüßens und Kopfnickens, des immer gleichen Austauschs banaler Redensarten über das Wetter und das Wohlbefinden, war sie überdrüssig geworden. Sobald sie das Haus verließ, das war ihre Erfahrung, konnte sie Ihre Handlungen, ihr Sprechen, ihr Befinden nicht mehr selbstbestimmen, oder sie mußte unnahbar und unhöflich sein. Als sie jünger war, fand sie Möglichkeiten, sich schadlos zu halten, mit zunehmendem Alter aber fand sie es nurmehr anstrengend. Die meisten Menschen, denen sie auf ihren Wegen begegnete, waren darauf versessen, immer wieder die gleichen volkstümlichen Nichtigkeiten zu sagen und zu hören. Diese banalen Nettigkeiten auszutauschen oder gar noch die ein oder andre Einladung ausschlagen zu müssen, das alles war ihr sehr lästig geworden, und was die Einladungen oder andere ihr zugedachten Wohltaten anging, so hinterließen sie bei ihr, weil sie sie nicht annahm, das Gefühl, dies werde als Undankbarkeit aufgefaßt.

Die Frau (wir wollen gar nicht wissen, was alles sie in ihren bewegten Jahren unternommen hatte, wie oft sie glücklich oder unglücklich verheiratet war, und wie viele Kinder, wohlgeratene oder ungeratene, sie großgezogen hatte) war keineswegs weltabgewandt. Sie war nur müde geworden, Dinge zu tun, von denen andere glaubten, sie wären ihr willkommen. Am liebsten verbrachte sie ihre Stunden in ihrer Bibliothek

Einen jungen Mann, der im Dorf wohnte, hatte sie gebeten, sich von zeitzuzeit um ihren Garten zu kümmern: die Wiese mähen, ihre Apfelbäume beschneiden, Laub zu rechen. Sie sagte Garten, obwohl es nur eine von Obstbäumen bestandene Wiese war, allerdings gab’s ein Kräutergärtchen.

Der Mann hatte sich auch bereiterklärt, ihr alle Wochen einige Lebensmittel einzukaufen. Er bekam einen Zettel, auf dem die zu kaufenden Dinge aufgeschrieben standen, und einen entsprechenden Betrag, von dem die Frau glaubte, es müsse eher davon etwas übrigbleiben, als daß es zu wenig wäre für eine Handvoll Lebensmittel. Aber über die Jahre wurden die Lebensmittel teurer, in einem Maße, wie die Frau es nie für möglich gehalten hätte. Sie konnte sich einfach nicht vorstellen, daß ein Salatkopf eine Mark oder mehr kosten sollte. Hat es gereicht? sagte sie, wenn sie den Einkauf entgegennahm, und bevor der junge Mann hätte sagen können, nein, schon lange nicht mehr, sagte sie: Den Rest können Sie behalten. Er brachte es nicht über sich, ihr zu sagen, wie sich alles verteuert habe. Und da es nun einmal so eingerissen war, blieb es dabei. Er sagte sich, wenn sie mich für die Gartenarbeit großzügig bezahlt, was soll’s.

Eines Tags, als er den wilden Wein am Haus stutzte, hatte er die Bibliothek entdeckt. Er war nahe an eins der Fenster geraten, hatte eine Hand abschirmend über die Stirn gehalten, um besser ins Innere zu schauen und hatte die vielen Bücher entdeckt. Wie ihm schien, war der ganze Raum mit Büchern angefüllt.

Einmal, als er wieder mit dem Einkauf vor ihrer Tür erschien, fragte er sie, ob sie ihm erlaube, den Raum mit den vielen Büchern anschauen zu dürfen. Sie war erstaunt. Ja, lesen Sie denn? Und woher wissen Sie von dem Raum mit den vielen Büchern, wie Sie sagen. Ich habe hineingeschaut von der Leiter aus neulich, dürfte ich sie sehn? Niemals hätte sie vermutet, jemand aus dem Dorf könne sich für ihre Bücher interessieren. Kommen Sie. Sie ging voraus, und erstmals betrat er ihr Haus.

Seither durfte er sich hin und wieder, wenn er für Nachmittage auf ihrem Grundstück arbeitete, für eine Weile in ihrer Bibliothek aufhalten, einem Raum, der wirklich ausschließlich Büchern vorbehalten war. Wissen Sie, sagte die Besitzerin, früher war es nichts Außergewöhnliches, wenn in Häusern solche Räume über 2 Stockwerke gingen, unterteilt durch eine umlaufende Galerie. Wenn er das im Dorf erzählt hätte, hätten sie ihn für nicht ganz dicht gehalten.

Er nahm das eine oder andre Buch in die Hand, blätterte vorsichtig darin, begegnete ihnen mit einer gewissen Scheu, denn es waren nicht Bücher wie er sie kannte. Es waren welche darunter mit kostbaren Einbänden, handkolorierten Bildern, auch ganz unscheinbare, die aber, wenn er sie in der Hand hielt, einen besonderen Reiz auf ihn ausübten, gerade weil sie so schlichte Einbände hatten, aus Papier oder Pappe, und der Titel stand auf einem aufgeklebten papiernen Rechteck. Die alte Dame zu bitten, ihm ein Buch auszuleihen, wäre ihm nie in den Sinn gekommen.

An einem Nachmittag, als er sich wieder einmal dem Haus näherte, fand er auf dem mit Ziegelsteinen gepflasterten Weg einen Geldschein.

War das tatsächlich eine Hundert, die ich gesehen hab, oder bilde ich‘s mir nur ein, und hinter seiner Stirn, wenn er die Augen zukniff, flackerte eine 1 mit zwei Nullen. Er fühlte mit der flachen Hand auf seine Gesäßtasche und vergewisserte sich eines dort soeben hineingeschobenen Geldscheins. Das ist der Ausgleich für das Einkaufsmanko, dachte er, und parallel oder gleichzeitig: Das kannst du nicht machen. Antwort: Wieso nicht, mit ein bißchen Vorschuß?

Als er klingeln wollte, bemerkte er die offenstehende Haustür. Zaghaft sagte er hallo. Dann schob er die Tür ein wenig weiter auf, nichts rührte sich. Sind Sie da? sagte er lauter. Niemand antwortete. Er setzte die Einkaufstasche im Flur ab. Neben ihrer Handtasche? War sie offen?

Dann ging er bedächtigen Schritts auf den Raum zu, worin er die Hausherrin vermutete. Auch dessen Tür war halb geöffnet, so sagte er noch lauter: Frau N., ich habe den Einkauf gebracht. Keine Antwort. Langsam schob er das Türblatt zur Seite. Sie saß in ihrem wuchtigen Sessel, offenbar eingenickt. Ihr Kopf lehnte tief in einem Kissen. Von ihrem Schoß war ein Buch geglitten, es hatte sich halb in ihrem Kleid verfangen, halb ruhte es auf ihren Schuhen. Es erschien ihm nicht ungebührlich, sie von dieser Last zu befreien. Behutsam nahm er das Buch auf und setzte sich auf einen in der Nähe stehenden Stuhl. Dann betrachtete er abwechselnd das Buch und seine Besitzerin.

Der Blick auf die Besitzerin: Sie schläft. Sie hat sicherlich nichts dagegen, wenn ich ihr Buch anschaue.

Der Blick ins Buch: Es war die Kosmogonie des Athanasius Kircher. Noch nie hatte er ein Buch dieses Autors in der Hand gehalten. Er konnte nicht widerstehn, er mußte darin herumblättern. Es enthielt viele Kupferstiche, die die seltsamsten Pläne und Gerätschaften darstellten. Einige Seiten hielt er minutenlang zum Licht hin um sie besser betrachten zu können.

Der Blick auf die Besitzerin: Hatte sie nicht einmal angedeutet, niemand in ihrer Familie interessiere sich (leidenschaftlich) für ihre Bücher. Und, jenachdem, könne er sie einmal alle haben. Hatte sie das nicht gesagt?

Der Blick ins Buch: Rom und Nürnberg 1624. Bislang hatte er nur über Kircher gelesen, hier und da dunkle Andeutungen. Einmal war er auf eine Stelle gestoßen, wo es hieß, die Schriften des Jesuitenpaters und Alchemisten hätten den Zorn des Heiligen Offiziums erregt. Das Heilige Offizium war nichts andres als die Inquisition. Was hatte der Mann denn so Schandbares angestellt? Daß er aus unedleren Metallen Gold herstellen wollte? Er wußte von einem Papst, Sixtus dem Vierten, der sich mehrere Alchemisten hielt, wenn auch im Verborgenen, um nicht allzuviel Aufhebens davon zu machen, das also konnte die Kirche nicht so sehr gegen den Jesuiten aufbringen.

Der Blick auf die Besitzerin: Ob er sie aufwecken sollte? Dann erschrickt sie am Ende.

Der Blick ins Buch: War es, weil Kircher nach einem Text suchte, der angeblich mit der alexandrinischen Bibliothek verbrannt war? Dieser Text befaßte sich mit der antiken Spekulation über die Entstehung der Welt, so hieß es, und in der Kosmogonie dieses geheimnisumwitterten Jesuiten gab es mehrere Anspielungen auf den Text, dessen Urfassung er sein lebelang suchte. Einige frühe Autoren behaupteten, es seien noch vorm Untergang der alexandrinischen Bibliothek mehrere Abschriften dieser Schriftrolle in Umlauf gewesen. Hatte er nach einer solchen Abschrift gesucht? Vermutete er sie in der Bücherei des Vatikans?

Der Blick auf die Schlafende: Merkwürdig, sie bewegt sich nicht im geringsten.

Der Blick ins Buch: Nicht zu unrecht, wenn man bedenkt, wie vieles dort gespeichert wird, vor allem, um es in achtsamer Vorsicht der Christenheit vorzuenthalten. Jedenfalls ließ Kircher durchblicken, es könne sich mit der Entstehung der Welt anders zugetragen haben, als es uns die Bibelausleger glauben machen wollen. Denn die Bibel, deutete er an, spricht in Symbolen.

Der Blick auf die Schlafende: Ich werde mich räuspern müssen. Irgendwie ist es ungewöhnlich, so unbeweglich zu schlafen. Er räusperte sich, zwei-, dreimal.

Der Blick ins Buch: Nach kirchlicher Lehre entstand die Welt in 6 Tagen. Ähnlich verstockt behauptete ein amerikanischer Präsident, sie, die Welt, sei in sechs Tagen erschaffen worden, und nichts anderes. Wie gefährlich muß es sein, dachte der heimliche Gast der Schlafenden, von solchen Dummköpfen die Welt regieren zu lassen (sie könnten sie in 6 Tagen ruinieren, das sicherlich) und er schaute zu der alten Dame hin und fragte sich: Ist sie tot? Seltsam, dachte er, es kann nicht sein, eine Tote so natürlich in ihrem Sessel liegen zu sehn. Er überlegte, ob das die rechten Gedanken sind für jemanden, der gerade dabei ist, eine Tote zu entdecken. Er fühlte sich außerstande, aufzustehn und sich vom Tod der alten Frau zu überzeugen.

Er blätterte wieder in dem Buch. Inzwischen hatte er zu Büchern eine wahre Zuneigung entwickelt. Die Schlafende (gewiß schläft sie, dachte er), hatte seine anfängliche Neugierde in Lesehunger verwandelt. Öfters hatte er sie gebeten, ihm Listen aufzustellen mit den Buchtiteln, die sie ihm zu lesen empfahl. Und er hatte sich darangemacht, ein Buch nach dem anderen zu verschlingen, die er in Leihbüchereien auslieh. Ja, er wagte sich sogar in eine Universitätsbibliothek.

Manchmal stöberte er in Bücherregalen von Freunden und Bekannten, so geriet er in die Bücherschränke eines reichen Industriellen, der sich aus seinen Büchern nichts machte, er kannte sie nicht einmal von außen. Ach so, sagte er, diesen Schriftsteller bewundern Sie? Ich bewundere ihn nicht nur, war die Antwort, ich möchte sein Buch einstecken, hier in meine Rocktasche, wenn sie nur groß genug wäre, verstehen Sie, ich möchte es einfach mitnehmen, klauen, wenn Sie so wollen, denn ich finde, Sie haben es nicht verdient.

Das hatte er nicht gesagt, aber er fand, er hätte es sagen sollen. Solche Gedanken hatte er, und im Aufstehn blickte er auf die Tote, ob sie denn wirklich tot sei, und ob er auf ihrem Gesicht Zustimmung lese (!), wenn er das Buch auffällig lässig unter den linken Arm klemme, denn er hatte nicht einmal eine Jacke an, geschweige eine Tasche darin.

Er ging langsam an den Regalen voller Bücher vorbei, hielt den Kopf schief und las murmelnd vor sich hin einige Verfasser und Titel. Einmal blieb er gedankenversunken stehn und schloß die Augen. Und während dieser Sekunden lief diese Bilderfolge durch sein Hirn:

Mit dem Geldschein in der Tasche und dem kostbaren Buch unterm Arm sah er sich zum Haus hinausgehn. Nicht zur richtigen Tür, sondern zu der, die über eine Terrasse zu der Wiese führte, an den Obstbäumen vorbei. Die waren seine Verbündeten, das wußte er. Alle Jahre stieg er in ihnen herum, weil er sie beschnitt, und das Obst pflückte er auch. (Er wunderte sich, was alles ihm durch den Kopf gehen konnte, solch Unwichtiges, wo es darauf ankam, sich zu trollen.) Einer der Apfelbäume ragte übers Dach und klopfte, wenn er nicht rechtzeitig durch Beschnitt daran gehindert wurde, dann und wann bei Sturm auf dem Haus herum. Er zwinkerte zu den Ästen hoch und sagte: Für diesmal steht ihr noch weit ab vom Dach.

Den hinteren Weg hatte er gewählt, um nicht gesehen zu werden. Es sah ihn aber jemand, wie das so ist, ein Bäuerchen aus der Umgebung, der am Rand seines Ackers herumhantierte. Warum ist der auf seinem Acker, wo es doch nicht die Jahreszeit dafür ist?

Der Bauer schrie aus einiger Entfernung zu ihm herüber: Wie geht´s? Schönes Wetter, das Korn kommt gut und derlei. Das war genau das, was ihn brennend interessierte. Hätte er erwidern sollen: Wie schön, und ich habe soeben eine Tote entdeckt?

 Er machte, daß er nachhause kam, mehr gebückt als aufrecht. Das Ganze wollte er erstmal mit seiner Frau besprechen. Sie war viel praktischer in den Dingen des Lebens. Zuhause angekommen aber erschien ihm alles so absurd, daß er auf ihre Frage wie es Frau N. gehe, antwortete: Gut und einen schönen Gruß.

 Dann geschah alles sehr rasch. Anderntags kam ein Beamter in Zivil. So unauffällig, alle ringsum hatten es mitgekriegt.

 VERHÖR.

Ein Bauer habe ihn usw. usw. Es ginge also nicht darum, ein Alibi zu erfinden, die Uhrzeit wisse man ziemlich genau, der Bauer hätte gesehn, wie er etwas unterm Arm davonschleppte.

 Seine Frau, die eine sehr empfindsame Seele war und mit der Obrigkeit keinen Ärger wollte, stand mit dem Geldschein in der Hand bereit. Sie wisse ganz genau, diese hundert Mark (bei dieser Zahl schluckte sie heftig) habe ihr Mann nie und nimmer gestohlen, so was könne er gar nicht, die hätte er auf dem Weg gefunden, weit entfernt vom Haus. Sie hielt den Geldschein hin wie jemand der guten Gewissens ist, und sich gerade deshalb hineinreitet. Warum macht sie das, stöhnte ihr Mann, wo doch NIEMAND etwas weiß von diesem Schein.

 So so, sagte der Beamte, weit entfernt vom Haus, und was hatten Sie unterm Arm? Dieses Buch hier. Er zeigte es reumütig.

 Auch weit entfernt vom Haus? Athanasius Kircher, sagte der Polizist. Er buchstabierte: K O S M O G O N I E (das IE sprach er aus wie bei Begonie). Mehr nicht? Nein, nur das, Sie hat es mir mitgegeben, zum Lesen mitgegeben. Wie interessant, sagte der Polizist, zu der Zeit, versichert der Arzt, war Frau N. bereits seit Stunden tot. Wie konnte sie da mit Ihnen sprechen? Sie ist übrigens erstickt worden, mit ihrem eignen Kissen. Das sagte der Polizist genüßlich, um das Verhör abzurunden.

 Die Frau hielt sich an der Tischkante, es wurde ihr schwindlig.

 Sie hat zu mir gesagt, nimms mit, du kannst es sogar behalten, ich schenk Dir´s. Niemand aus meiner Verwandtschaft interessiert sich für dieses Buch. Das hat sie gesagt. Das hätte sie durchaus sagen können, dachte er. Es wurde ihm weiß vor den Augen. Er setzte sich, zu seiner Frau sagte er: Du wirst sehen, das klärt sich.

 Sein Freund, ein Richter, ein Liebhaber schöner Bücher wie er, würde ihm helfen. Obwohl, er war kein Strafrichter, nur einer, der Nachbarschaftshändel schlichtete. Wenn ein Baum mit seinen Ästen zu sehr das Grundstück des Nachbarn bedrängte, oder mit seinen Zweigen zum Dach hinlangte, über solche Kleinigkeiten hatte er sein Urteil zu fällen.

 Wollen Sie damit andeuten, fragte der Verteidiger, die Aussicht auf ein paar kostbare und schöne Bücher wäre ein hinreichender Grund für einen MORD? Warum nicht, antwortete der Staatsanwalt.

 Wir werden sehen, sagte der Beamte, der Gewißheit sicher, einen guten Fang gemacht zu haben. Sie kommen gleich mit.

Er beugte sich nah ans Gesicht der alten Dame und flüsterte: Frau N., schlafen sie? Er rückte noch näher an ihr Gesicht, so wie wenn er ihr einen Kuß auf die Wange drücken wollte, und das fast vorzuhaben, verwirrte ihn.

Die Schläferin schlug die Augen auf und sagte mit der Gelassenheit, zu der nur alte intelligente Menschen fähig sind: Sie dürfen mir ruhig einen Kuß geben. Wir kennen uns nun so lange.

Er küßte sie und geriet dabei auf die Stelle, wo die Wange schon mehr Lippenfältchen ist, und da kam die zweite Verwirrung (oder die wievielte?) über ihn.

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Paar am Ufer


Bild: Marlies Blauth

Immer wieder nahm der Wind Anlauf
und huschte über den See.

Auf dem See kräuselte sich ein Lächeln
in Windeseile.

Die Wasserlinsen verharrten stoisch,
ließen sich von keiner Bewegung hinreißen.

Das Paar am Ufer saß lange regungslos
auf der Bank.

Nur ein Lächeln umspielte das Nichts, das sie
sich zu sagen hatten.

Spät legten sie sich zu Ruhe, der Wind in den
Wipfeln und der See auf eigenem Grund.

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Caffe’ Florian

Venedig habe ich öfters besucht, das Caffè Florian nur einmal. Sicherlich ist es eines der snobistischsten Lokale rund um den Globus. Es ist das Café am Markusplatz. Es ist das Café einiger wohlhabender Venezianer, einiger weniger Adeligen, die es noch aushalten in der Flut der Touristen. Es ist das Café mancher Intellektuellen, Schriftsteller, Schauspieler, Sänger, und wenn sie auch den Markusplatz mit dem Pöbel der Welt teilen müssen, so fühlen sie sich im Florian unter sich. Die Liste der Prominenz, die im Florian saß, ist lang. Es ist geschmnackvoll eingerichtet, hat hübsche Wandmalereien aus den Jahren der Gründung um 1721.

Als meine Lebensgefährtin und ich es betraten, scharwenzelten die Ober um uns herum, als seien wir ein toskanisches Fürstenpaar. Sofort war einer an meiner Seite, mir Hut und Mantel abzunehmen. Einer geleitete uns an ein Tischchen und rückte die Stühle unter unseren Hintern zurecht. Ein andrer brachte uns ein allerliebstes Kärtchen, worauf die edlen Getränke und Häppchen verzeichnet standen. Wir hatten Glück, in der Nähe eines derFenster zu sitzen. Man kann aus ihnen hinaus auf den Markusplatz, nicht umgekehrt von dort in die Räume schauen. Niemand außer uns, fühlte sich bemüßigt, das zu tun. Wir freuten uns heimlich an dem Schauspiel, das uns Vorbeikommende boten. Sie näherten sich der Tür, entdeckten daneben die Karte, worauf die Preise verzeichnet standen, schreckten zusammen und trabten weiter.

Beim Verlassen beachtete uns keiner der Kellner mehr, meinen Hut und unsre Mäntel holten wir uns selbst vom Haken. Abends im Hotel notierte ich in mein Tagebuch folgende Zeilen.

caffè florian
die bestellten cakes
und kuchen (sündteuere) sollte
man stehen lassen
sie dienen als dekor

des zeremoniells unkundig
aßen wir das plum cake auf

die kellner sahen
angeekelt beiseite
sie hatten uns
als unbotmäßig entdeckt

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Des Glückes Schmied


Zeichnung: Rolf Hannes

Ergraute Kulissen. Erinnerungsstunde an einen Lebensprimus, der einem Gegenüber vorauserzählt, wie seines Glückes Schmied ausholte und sich auf die Finger schlug, daß ihn die Gelegenheiten beim Schopfe packten, er seine Anfängerfehler aufgehoben habe für den Schluß, und ringsum aus jedem Größerwerden schon damals nur ein Expandieren wurde. Anekdoten, die sich nicht aneinanderreihen, nicht mit Jahreszahlen verfugen lassen. Ich und meine Wenigkeit und der Drang in mir, wir also, sagt sein Naturell, waren uns seit jeher nicht einig. So zwischen Narrenkappe und Doktorhut, das Nichterlernbare, das man sich nur selber beibringen könne. Ein Mittelpunkt als Schlupfloch. Oder ein Schlupfloch als Mittelpunkt. Eine Schmerznuance. Ein Möglichkeitshauch. Das, was dem Vollkommenen fehlt. Und wie er sich mitunter einfach zusah bei seinem Balancieren auf der Lebenslinie, die vom väterlichen Berufswunsch aus, der unerfüllt blieb, anscheinend verlief wie ein krummer Linealstrich. Darunter das Summasummarum der Gewißheiten, das Dasein aufgerechnet mit der Existenz, von der er sich einzig wünschte, sie ließe ihm ein wenig mehr noch an Zeit: um bei Smetana zu sein, ihm nachzuhören, wie er, auf einem Felsen sitzend, in die Moldau starrt.

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Bohumil Hrabal

Die schöne Poldi, so heißt eine der meisterlichen Erzählungen des Tchechen Bohumil Hrabal, meint nicht ein flottes Frauenzimmer, sondern eine Eisenhütte. Einen Ort also, wo die Arbeiter in unerträglicher Hitze, in Staub und Dreck hantieren. Und doch denkt nicht nur der Leser, auch die Arbeiter in dieser Geschichte denken unwillkürlich bei dem Wort SCHÖNE POLDI an eine schöne Frau. Über dem Fabriktor ist sie sogar im Profil in einem sternchenbesetzten Oval als Signet der Firma zu bestaunen.

Und eines Abends überreicht jemand meinem geliebten Hrabal im Goldenen Tiger in Prag einen Text von mir, worin ich ihn besinge. Warum ich darauf zu sprechen komme? Weil ich seit Tagen wieder Hrabals Geschichten lese, diese Geschichten, die mich so aus dem Häuschen bringen, ich muß schlucken und  die Tränen stehn mir in den Augen. Zu allem Glück kommt noch dies dazu: niemand in meinem Bekannten- und Freundeskreis kennt oder liest diesen göttlichen Hrabal. Seine Bücher sind rund um den Erdball verbreitet, aber hier in Freiburg besitze ich Hrabal ganz für mich allein. Kein literarisches Quartett oder Duo erwähnt ihn, noch nie ist mir eine Zeile über ihn in einerZeitung begegnet. Wenn ich Hrabal sage, wenn ich einem Bekannten oder Freund von ihm vorschwärme, dann sagen sie, wer ist das? Nie gehört.

Hrabal ist vor einigen Jahren gestorben, auch das machte keine Schlagzeilen. Für einen Säufer seines Formats wurde er ziemlich alt. Den Nobelpreis hat er nicht bekommen, wie so viele vor ihm, die ihn verdient hatten, das ist eine Schande für die ganze literarische Auslese, die das Sagen hat.

Wahrscheinlich hätte ihn nicht einmal die Nachricht vom Nobelpreis aus der Ruhe gebracht.

Doktor Hrabal, wissen Sie schon? Soeben kam die Nachricht durchs Radio. Sie haben den Nobelpreis für Literatur bekommen. Na und? Den waren sie mir schon vor 30 Jahren schuldig. Soll ich dankbar sein für diese Schlamperei? Statt dessen schaute er mit einem Zwinkern die hübsche Bedienung an und sagte: Schöne Poldi, bringen sie mir noch ein Bier.

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Kabir: eine Sufi-Geschichte

Kabir sagt: Freund, sag mir, was ich tun kann, um die Welt anzuhalten und sie auszubessern.

Ich entledigte mich genähter Kleider und trug ein wallendes Gewand, aber ich bemerkte eines Tags, die Gewänder waren gut gewebt. So kaufte ich ein Sackkleid, aber ich drapierte es vornehm über meine linke Schulter. Ich entwöhnte mich sexueller Verlangen, und nun entdeckte ich eine Menge Ärger in mir. Ich zügelte die Wut, und nun bemerkte ich, dem Geiz zu verfallen.

Ich arbeitete hart, den Geiz loszuwerden, und nun bin ich stolz auf mich. Wenn der Verstand wünscht, sich von der Welt abzukehren, hält er doch an einem Ding fest.

Hör zu mein Freund, sehr wenige finden den Pfad.

Kabir (1440 Varanasi – 1518 Maghar), indischer Mystiker, der sich nie in eine religiöse Gruppe eingeordnet hat. Er war muslimischer Herkunft, seine Unterweisungen enthalten viel Sufisches, darum reiht futura99phoenix ihn ein in die Sufi-Tradition. Geschichten heißen sie nur der Einfachheit halber. Es sind keine Geschichten im herkömmlichen Sinn, vielmehr sind es Aussprüche, die über Jahre von Schülern gesammelt und aufgezeichnet wurden.

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Ein Gartennarr

Als für die Kreuzritter 1291 Festung und Stadt Akkon verlorenging, schrieb der arabische Gelehrte Ibn ed-Druda in sein Tagebuch: Mögen die Christen dem Verlust ihres Königreichs Jerusalem nachtrauern, so ist doch der Gewinn, den sie seit Jahrhunderten in den Westen mitnahmen, ungleich größer als jegliche Niederlage. Nicht nur vielfache Möglichkeiten der Herstellung von Kleidung und Möbeln, auch das Kennenlernen unsrer Musikinstrumente, etwa der Laute brachte in ihr Leben den Reichtum, der das Leben erst lebenswert macht. Was zu sagen von den Gewürzen, dem Reis, den lieblichen Früchten wie Aprikose und Zitrone? Auch die Glasherstellung schauten sie unseren Handwerkern ab. Selbst das Kartenspiel und das königliche Schach erlernten sie von uns.

Unerwähnt blieb in Ibn ed-Drudas Aufzeichnungen eine Rose, die gleichfalls im
13. Jahrhundert von Kreuzrittern nach Europa gebracht wurde, die Damaszenerrose.

In meinen jungen Jahren war ich einmal für länger in England, und es blieb nicht aus, daß ich Dutzenden von Engländern begegnete, die förmlich nichts anderes als ihre Gärten im Kopf hatten. Vor allem waren es Rosengärtner und –züchter. Gartennärrischere Leute sind nicht vorstellbar. Sie leben für ihre Gärten, in ihren Gärten und von ihren Gärten. Und nicht wenige von ihnen sind so stolz auf ihre Arbeit, sie zeigen ihre über die Jahre immer umfangreicheren Gärten her wie Schloßbesitzer ihre Parks. Bei einem solchen Gärtner aus Leidenschaft wohnte ich einmal einen Sommer lang. Alle Jahre kaufte er ein Stück benachbartes Land dazu und vergrößerte seinen riesigen Garten.

Die Geschichten seiner unüberschaubaren Schar von Rosen, Herkunft, Verträglichkeit der Witterung, ihre Varietäten, ihre Anfälligkeit für Krankheiten, all das sammelte er in einem Zettelkasten. Oft war er damit beschäftigt, die Steckbriefe, wie er sie nannte, zu vervollkommnen. Manchmal entdeckte er in einem Buch einen Bericht aus früheren Jahrhunderten, dann schwelgte er in seinem Glück und erweiterte sein Wissen und seinen Zettelkasten.

Eines Tags fand er in einem Buch aus dem 17. Jahrhundert eine Stelle, die sich mit der Herkunft der Damaszenerrose beschäftigte. Er las mir die Sätze vor. Ich versuche, mich an sie zu erinnern.

König Richard I von England, den sie Richard Löwenherz nannten, focht stets mit Klingen wie sie in ihrer Schönheit und Haltbarkeit nur in Damaskus zu beschaffen waren. Er hatte in seinem Troß einen Waffenschmied aus Dorchester. Dieser Mann, er hieß Charles, nicht nur Vertrauter Richards, sondern auch sein Freund, war in Kämpfen stets an Richards Seite.

So auch bei der Einnahme von Akkon 1191, das in der Folgezeit ein Jahrhundert lang der Hauptsitz der Kreuzfahrer wurde. Während der Wochen in Akkon bekam Charles den Auftrag, seinem König das kostbarste Schwert aufzutreiben, das er innerhalb der Mauern von Damaskus finden könne. Charles muß sich tagelang in Damaskus herumgetrieben haben. In seiner Begleitung hatte er einen Kaufmann aus Smyrna, einen Muslim, der hatte sich zum Christentum bekehren lassen. Aber für diesmal ließ er den Christen beiseite, und zum Wohl aller spielte er die Rolle eines einfältigen Arabers, der seinem vornehmen Herrn zu Diensten sei. Dieser sein Herr sei so vornehm, er spreche nicht mit gewöhnlichen Leuten.

So streiften sie durch Damaskus, durch jeden Winkel der Basare, durch alle Gassen und Straßen, sich als Kaufleute ausgebend, unerkannt als die Boten eines verhaßten Königs aus England.

Sie hatten inzwischen viele Klingen bewundert, geprüft, begutachtet, es waren darunter welche aus Indien, Persien, Turkmenistan. Am siebten Tag trafen sie auf einen alten Mann, der unter einem Torbogen saß, Brotkrumen zu Kügelchen formte, die er dann auf Tauben schnipste, die die Krumen mit den Schnäbeln auffingen. Der Alte achtete nicht auf die beiden Männer, die sich in seiner Nähe aufs Pflaster niederließen. Hinter seinem Rücken lehnte ein Schachbrett an der Mauer.

Schließlich sprach ihn der Kaufmann an, ob er schon wisse, was in Akkon geschehen sei. Alle in Damaskus sprachen vom Fall Akkons und ließen die Tapferkeit beider Seiten nicht unerwähnt. Der Anführer der Gegner, so sagten die Leute, sei ein wahrer Löwe im Kampf. Aber bald werde auf ihrer Seite auch ein Löwe erstehen.

Sie suchten ein Schwert, das alle anderen Schwerter an Schönheit und Kostbarkeit überträfe, sagte der Kaufmann.

Den Alten beeindruckte das Gerede der Leute nicht. Was heißt schon ein Löwe zu sein mit einem Schwert? Ich kenne sie alle die Schwertmacher, und ich kenne die Lager, wo sie ihre Schätze horten. Ich selbst war einer der besten dieses Gewerbes. Versteht sich einer von Euch aufs Schachspiel? Das ist ein Kampf edlerer Natur. Und nach einigem Hin und Her nahm Charles die Aufforderung zum Schachspiel an. Keiner der Spieler sprach ein Wort. Wenn mein Herr gewinnt, sagte der Kaufmann, als er bemerkte, es könne für Charles siegreich ausgehn, könnten wir dann erfahren, wo es das kostbarste Schwert in Damaskus gibt? Ja, sagte der Alte, gewinne aber ich, dann zeige ich Euch etwas Kostbareres als ein Schwert.

Der Alte gewann, und als sie ihm folgten, gelangten sie in einen Garten voller seltsamer Pflanzen und Wohlgerüche. Hier, sagte der Alte, und machte die beiden Fremden aufmerksam auf eine Rose, das ist eine Damaszenerrose. Sie waren sprachlos. Sie hatten etwas Großartiges erwartet, etwas, das sie in Erstauen versetzen würde, und nun das, eine einfache Rose.

Glaubt mir, diese Rose ist eines der großartigsten Gewächse meines an vielen Pflanzen reichen Gartens. Ein Freund von mir hat sie gezüchtet, ein Weiser, ich möchte sagen, ein Alchemist. Er und diese unscheinbare Rose haben mich verwandelt. Jeder, der sie begreift, wird verwandelt. Ich mache Euch einen Rosenstock zum Geschenk für Euern Herrn. Ihr braucht Euch nicht erklären, ich weiß, woher ihr kommt und welchem König ihr dient. Findet ihm ein Schwert, wo es Euch beliebt, Damaskus ist voll davon, aber diese Rose hier ist einmalig, es gibt sie nur in meinem Garten.

Und sagt Eurem König, er wird erst dann glücklich, wenn er eine Damaszenerrose höher schätzt als ein Damaszenerschwert. Mit diesen Worten und einem Rosenstock machten sich Charles und sein Begleiter, nicht ohne sich tief vor ihrem Gastgeber verneigt zu haben, auf den Weg.

Nachdem mein englischer Gartennarr mir diese Geschichte vorgelesen hatte, sagte er: Ob sie nun stimmt oder nicht, diese Geschichte, wahr ist sie jedenfalls. Nachgewiesen in England ist die Damaszenerrose seit dem 13. Jahrhundert. Mit Richards Flotte könnte sie London erreicht haben. Und hier steht eine Eintragung aus einer andern Quelle. Warten Sie, er nahm seinen Zettelkasten zur Hand, hier steht: Die Damaszenerrose gilt in Zypern als glücksbringend in Liebeshändel.

Das ist doch nicht unwichtig, finden Sie nicht? Sie steht im Ruf, Liebesbande zu knüpfen. Er zwinkerte mir zu, dieser köstliche Engländer, was für die Zyprioten gilt, könnte doch auch für Engländer und Deutsche gelten.

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wir haben uns verloren

DIGITAL CAMERA

Zeichnung: Rolf Hannes

wir haben uns verloren
in einem zerklüfteten land –

entlassen myriaden
hakender wörter
um uns zu treffen

unsere hände
sind abgemagert
vom warten und wetzen –

wir haben uns verloren
in einem zerklüfteten land

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