Urbane Skizze 3

interview

er hat einen job als interviewer für die stadtverwaltung. seit sieben tagen ist er unterwegs. kalte füße, kopfschmerzen und immer wieder die selben fragen. – gefällt es ihnen hier – wohnen sie hier schon lange – wie viel verdienen sie – keine angst, das ist nur für die statistik

die menschen in diesem wohngebiet öffnen ihre tür nur einen spalt breit, um sie gleich darauf mit abwehrendem gestammel oder lauten beleidigungen wieder zu schließen. es mussten vor ihm eine drückerkolonne oder die zeugen jehovas vorbeigekommen sein.

widerwillen und ekel, es dämmert schon, er braucht noch drei interviews. die dunkelheit macht die bewohner noch misstrauischer. eisregen. er überquert die schneebedeckte rasenfläche zwischen den sechsstöckigen wohnhäusern. sein körper zieht sich vor kälte zusammen. er beeilt sich, den schützenden nächsten hauseingang zu erreichen.

die außentür ist angelehnt. zwölf wohnungen, ein schäbiges treppenhaus. wohnstadt. Die befragten sind sehr zufrieden, und er mag sie nicht.

die nächste wohnung, er läutet, wartet, geräusche hinter der tür, ein schatten am türspion, flüstern, dann stille. er wartet noch zwei minuten. – ärsche – , geht weiter. nächste tür. er klingelt. nach einiger zeit öffnet eine alte frau. – guten tag, ich mache eine umfrage…- die tür schließt sich. weiter. das flurlicht geht aus. dunkelheit. er tastet nach dem schalter.

wieder kaltes neonlicht. auf dem treppenabsatz steht eine pflanze. ein kahles gestänge, die letzten vergilbten blätter liegen auf der grauen erde. er hat rückenschmerzen. sein kopf dröhnt von so vielen sinnlosen fragen. weiter zur nächsten tür. die klingel gibt nur einen kurzen brüchigen ton. schleppende schritte nähern sich unendlich langsam der tür. ein schatten am türspion. er spürt den blick und versucht vertrauen erweckend auszusehen. sekunden werden zu ewigkeiten. dann öffnet sich die tür. Ein langer gelber flur, davor die massige dunkelheit einer sehr alten frau. leichte panik als die stimme flüstert – ich habe lange auf sie gewartet. treten sie ein, junger mann…

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