Morgenlandreise 21

Schlendernd durch die Straßen und am Tigris entlang hatte ich versucht, alle meine Möglichkeiten durchzuspielen. Es gab, so verrückt es schien, offenbar nur einen einzigen Grenzübergang, den mußte ich nehmen, was immer es mit den Schwierigkeiten aufsichhatte. Ich fragte die Männer nochmals, wie weit es zum Shatt al Arab sei, und ob ich zufuß gehen könne. Sie sagten, 25 km und schüttelten die Köpfe.

Mit einmal sprachen sie über mich, das konnte ich aus ihren Gebärden und Blicken herauslesen. Einer fragte mich, wieviel Geld ich denn hätte. Alles, was ich noch hatte in irakischer Währung legte ich auf den Tisch, auch eine Zehndollarnote, meine eiserne Reserve und kleinen Trumpf. Es war nicht allzuviel, obwohl ich am Morgen eine nicht unbeträchtliche Summe gewechselt hatte.

Plötzlich ging alles sehr schnell. Einer deutete auf den Himmel, um zu sagen, wir müssen uns beeilen, sonst wird es dunkel. Es war früher Nachmittag. Einer der Männer holte aus einer Seitenstraße einen Jeep. Alle stiegen ein, und ab ging’s Richtung Shatt al Arab. Zusehends verwandelte sich die Stadt in lehmige Landschaft, alles schien aus lehmigem Morast zu bestehen, die geduckten Häuser, die Mauern, die Gärten, die Büsche, die Palmen. Kinder, und so gut sie es konnten, auch Erwachsene, hüpften und hangelten sich über Lehmmauern, denen die Nässe so zugesetzt hatte, daß sie bald im Schlamm absinken würden. Einen Jungen sah ich seine Ziege auf einen solchen Mauersteg heben, damit sie, die im Schlamm unterzugehen drohte, dort oben weiterlaufen möge. Weit und breit war kein Fahrzeug unterwegs, das war unser Glück, denn Anhalten bedeutete Steckenbleiben.

Der Fahrer drehte das Lenkrad von links nach rechts, von rechts nach links, das Fahrzeug schlingerte in dem Morast in einer Wellenlinie wie ein Kahn in einem Wildbach. Dann saßen wir fest. Alle mußten wir, bis zu den Knien im Dreck steckend, den Wagen anschieben. Das wiederholte sich immer öfter, bis es nicht mehr ging, der Jeep steckte zu arg in einem Wasserloch. Mir war nicht klar, wer jetzt schlimmer dran war, ich, der ich zufuß weiterwaten mußte, oder meine Helfer und Retter, die mit ihrem Fahrzeug weder vor noch zurück konnten. Sie bedeuteten mir, geh, geh, immer geradeaus, kümmer dich nicht um uns, wir kriegen den Karren schon wieder flott, wenn nicht heute, dann morgen. Zum Abschied umarmten wir uns.

So kroch, humpelte, watete ich, ganz wie die Kinder und Tiere, lief über Stege, Mäuerchen, umgefallne Baumstämme, hangelte mich um Wasserlöcher herum. Oftmals mußte ich mich auf mein rechtes Knie stützen, um meinen linken Stiefel aus dem Morast zu zerren und umgekehrt. Hätte ich eine Möglichkeit gesehn, meine Stiefel auszuziehn um barfuß weiterzukommen, ich hätte nicht gezögert, denn meine Stiefel steckten voller Schmodder bis oben hin. Meinen Seesack hatte ich mir wie einen Rucksack auf den Rücken gebunden, beide Hände brauchte ich.

Dieser Beitrag wurde unter Allgemein abgelegt und mit , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert