Morgenlandreise 11

Der Irak war in meinen Überlegungen nie aufgetaucht, ich wußte nichts von diesem Land, das so ähnlich klingt wie Iran, fast könnte man von der Namensähnlichkeit auf geschwisterliche Nähe schließen.

Auch hatte ich keinen blassen Schimmer, was in Ostanatolien geschah. Die vordere Hälfte der Türkei kannte ich einigermaßen, dort war ich 1962 mit einem Freund für Wochen. Wir hatten uns im Land umgesehn: in Pamukkale die Sinterterrassen (ohne touristische Überfremdung), in Bergama, dem früheren Pergamon, auf deren Ausgrabungsfeldern wir damals noch ungehindert und ohne Eintrittskarten herumstreiften. Uns erschien das Land schlechthin paradiesisch, und ich war 15 Jahre später der Meinung, nach Osten hin müsse es prächtiger und paradiesischer weitergehn. Daß aber nur die vordere Hälfte der Türkei herzeigbar war (für Ausländer, und das ist ja bis auf den heutigen Tag so geblieben), davon hatte ich keine Ahnung, und wie es schien, auch niemand in meinem Bekanntenkreis.


Kleiner, etwa 5 cm hoher Kopf der Aphrodite. Fundstück aus der Grabung in Bergama. 1962 luchste ich einem Ausgräber dieses jahrtausende alte marmorne Köpfchen ab. Die unterbezahlten türkischen Arbeiter besserten so ihre Lage auf.

Dieses Nichtwissen, diese Ahnungslosigkeiten, verquickten sich miteinander bis zur Unauflösbarkeit. Bis Adana war ich in Bussen unterwegs. Dort, in einem bescheidenen Hotel, befreundete ich mich mit einem LKW-Fahrer. Er lud mich ein, in seinem Lastwagen mitzukommen. So kam ich auf seinem Beifahrersitz bis weit in den Osten. Er wagte es nicht, auf freier Strecke anzuhalten, getankt wurde an Tankstellen, die sich hinter Sandsäcken verschanzten, mit Maschinengewehren bestückt. So fuhren wir von Enklave zu Enklave, ich kam kaum mehr mit anderen Leuten als Fernlastfahrern in Kontakt. Nach ihrer Überzeugung bewegten wir uns, seit wir den Eufrat überquert hatten, in Feindesland.

Ich war in eine Schleuse geraten, aus deren Drift ich mich nicht mehr so leicht befreien konnte. Wenn ich jemanden fragte, wie komme ich weiter nach Persien, gab’s Achselzucken, Kopfschütteln. Niemand der Fahrer, die ich ansprach, wußte von Möglichkeiten, weiter nach Osten, oder gar nach Persien zu kommen. Die einzige Möglichkeit wäre wohl, sagten sie, von Ankara mit dem Flugzeug nach Teheran zu fliegen. Tausende Kilometer zurückkehren, um in Ankara ein Flugzeug zu besteigen, dafür hätte ich meine ganze Reisephilosophie verleugnen müssen. Bislang war ich vorangekommen, und das immer in abenteuerlichem Kontakt mit meiner Umwelt und mit schonendem Umgang mit meinem Reisegeld.

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