Morgenland

Der Dichter sitzt wieder an meinem Ostfenster, wirft lange Schatten und benutzt die Worte redundant und outsourcen. Ich übersetze.

Redundant

Meine Oma sagte: Doppelt gemoppelt. Seit ich dich kenne, hat die Erde eine zweite Sonne. Sie hielt ihr Handy wie eine Wünschelrute. Seit ich dich kenne, ist erster Mai. Der Frühling klemmt bei Magdeburg. Ich hau den Alltag in die Abfalltonne. Der Informant ist einerlei. Seit ich dich kenne, ich bin nicht die, für die du mich hältst. Der Nahverkehr führt in die Weite. Seit ich dich kenne, ist Eintritt frei. Ich esse gerne Fisch, weil mich die Gräte hinterher nicht heiraten will. Du bist die Tür zu meinem Wunschbüro. Flitzendes Flugzeug, vom Gummiband gezogen, treibst du uns endlich zu uns her. Wenn ich dich treffe, wird die Stadt zur zweiten Liebe. Wenn ich dich treffe, ist nichts einerlei. Du bist der Ausweg aus dem Lebensrumgeschiebe. Es ist nur ein Kratzer, lasst mich hier zurück. Du bist Tanderadei. Wenn ich dich treffe, ist in der U-Bahn plötzlich Lebensstille. Es ist irgendwo da draußen. Du bist Tanderadei,

Wenn ich alle 30 Minuten in meiner Bar ein kleines Dunkles für ein Euro achtzig trinke,
dann zahle ich für sozialen Kontakt sechs Cent pro Minute.

…der Terror. Die S-Bahn zwischen Friedrichsstraße und Zoo. Wenn da Bomben wären.
Zur Hauptverkehrszeit. Ich fahr da jeden morgen lang. Heute hab ich den Staatsschutz informiert. Staatsschutz – nicht Staatssicherheit. Der Herr sagte, er sieht das auch so. Ob er zu dir Staatsschutz sagt oder ob du betest. Sicherheit ist Illusion.
Das bleibt hier am Tisch.
Am Tisch?…. Staatsschutz. Das Wort hab ich nie gehört.
Also klar, am Tisch. Wo kommst du eigentlich her? Tanderadei.

Ich muss wieder da rein.

Bei Pernod/Wasser (klein), der Keeper hasst mich dafür. Also zahle ich für sozialen
Kontakt nur fünf Cent. Für willige Frauen aus meiner Nachbarschaft…. Tanderadei


Zeichnung: Friedel Kantaut

Das Schlimmste, was auf mich wartet, ist eine Anklage wegen groben Unfugs mit Todesfolge. Dann geh ich in Berufung. Und bevor ich verurteilt werde, bin ich tot. Tanderadei.

Outsoursen

Meine Oma sagte, lass mal die andern machen. Wenn der Alkohol so wirkt, muss das Haschisch schon ziemlich gut gewesen sein.

Sonnabendnachmittag. Über der Stadt wurde in einhundertdreißig Meter Höhe eine
Betondecke eingezogen, aus der es regnet. Die Pärchen aus meinem Bekanntenkreis
lecken sich ihre Psychosen. Ich führe meine Depression aus. Ich gönn ihr was.

Ein Friedhof im Wedding. Vorbei an Gräbern mit abgelaufenem Nutzungsrecht. Hört das Umziehen denn nie auf? Ich setze mich auf eine nasse Bank. Suche mein Zentrum. Finde es an der falschen Stelle. Auf dem Grabstein gegenüber steht: Hier ruht Lieschen Fick. Was will mir Herr Gott damit sagen?

Weil die schöne Kellnerin nicht mehr in der Abendbar arbeitet, sondern jetzt zur Schauspielschule geht, erwäge ich ein Theaterstück zu schreiben.

Dieser Beitrag wurde unter Allgemein, Innenleben abgelegt und mit , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert