Eine Lebensgeschichte 2. Folge

Mit Sechzehn begann ich eine Lehre als Handlithograf. Das war ein erstes Zeichen meiner Selbständigkeit, aus der heraus ich parallel zur Ausbildung an den freien Wochenenden eine kleine Werkstatt aufbaute und nebenbei den Steindruck erlernte, was mir bald ermöglichen sollte, mich frei zu entfalten, als Drucker künstlerischer Lithografie, als Zeichner, als Künstler. Dank meines großjährigen Bruders, der in einer großen Druckerei angestellt war, hatte ich Zugang zu den Firmen, die mir die nötigen Utensilien verkauften. Einer seiner Arbeitskollegen, Ueli, gleichaltrig mit mir, machte dort seine Lehre als Offsetdrucker. Es konnte nicht ausbleiben, eines Sonntags besuchte er mich in meiner Werkstatt, ich nannte sie selbstbewußt Atelier für künstlerischen Steindruck.

Wenn sich eine Freundschaft zu einem Gleichaltrigen ergab, versuchte ich bei ihm das zu finden, was ich in meiner Familie vermißte, doch diese Versuche gingen manchmal daneben.

Ueli und ich haben es miteinander versucht. Wir hatten beide ähnliche Interessen, beide ähnliche Berufswünsche. Ueli im kommerziellen Offsetdruck, ich im künstlerischen Steindruck.

1962, als die Sommerferien anstanden, planten wir halsüberkopf eine Reise in die Camargue, per Autostop. Ueli hatte von seiner Mutter zu Weihnacht ein Zweierzelt geschenkt bekommen, darin ließe sich gut übernachten, meinte er.


Zeichnung: Kurt Meier

Unsre Reisegeschichte will ich ausführlicher berichten, weil sie zeigt, wie das Leben spielt, durch alle Verästelungen hindurch, mit aller Komik auch die tragischen Inhalte garniert, wie es das Innere nach außen kehrt und das Äußere nach innen. Wie die Fluchten nach außen innen zurückkehren.

Am Straßenrand wartend trafen wir auf einen dicken übermüdeten Pfarrer in seiner Ente, einem Citroen-Deux chevaux. Er wollte nach Genf, und Müdigkeit und Hitze setzten ihm sehr zu. Er sagte, er könne nicht garantieren, nicht ab und zu einzunicken, dann müßte einer von uns aufs Gaspedal drücken, der andre die Lenkstange halten. In seinem kleinen Auto mit geringer Geschwindigkeit und so wenig Verkehr auf der Autobahn, sei das nicht schwierig. Ueli, der fast 2 Meter maß, saß hinten. Seine Länge erlaubte es ihm, die Beine quer nach vorne zu schieben aufs Pedal. Und ich, der ich neben diesem gottergebenen Pfarrer saß, beobachtete ihn, und wenn er einzuschlafen drohte, übernahm ich die Lenkung. Wirklich, ab und zu hielt er ein Nickerchen und schnarchte dazu.

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