Chassidische Geschichte 14

Wahre Weisheit

Tuschefederzeichnung: Rolf Hannes

Eines Tags stand der Rabbi von Zans am Fenster und schaute hinaus auf die Straße. Als er einen Vorbeigehenden sah, klopfte er an die Fensterscheibe und bedeutete dem Mann, ins Haus zu kommen. Als der Fremde das Zimmer betrat, fragte ihn Rabbi Hayyim: Sag mir, wenn du einen Beutel voller Dukaten fändest, würdest du ihn seinem Besitzer zurückgeben?

Rabbi, sagte der Mann, wenn ich den Besitzer wüßte, würde ich den Beutel zurückgeben ohne einen Augenblick zu zögern. Du bist ein Narr, sagte der Rabbi von Zans. Dann nahm er wieder seinen Platz am Fenster ein, rief einen anderen Vorbeikommenden und stellte ihm die gleiche Frage. Ich bin nicht ein solcher Narr, einen Beutel voll Geld herzugeben, der mir zugefallen ist, sagte der Mann. Du bist ein Schurke, sagte der Rabbi von Zans und rief einen dritten Mann zu sich.

Der antwortete: Rabbi, weiß ich denn, wie ich mich verhalten werde, wenn ich einen Geldbeutel finde, noch ob ich den Anfechtungen des Teufels gewachsen bin? Vielleicht wird es mich überkommen, und ich möchte mir das aneignen, was einem andern gehört. Aber vielleicht wird Gott, gesegnet sei Er, mir beim Kampf beistehn, und wenn es so ist, würde ich, was ich gefunden habe, dem rechtmäßigen Besitzer zurückgeben.

Das sind rechte Worte, rief der Zaddik. Du bist der wahre Weise.

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